Wo die guten Tage bleiben

Drei Autor*innen sprechen über ihre Werke und über den Erfahrungsraum (Ex-)Jugoslawien.

Mehr Live-Veranstaltungen wären natürlich schön gewesen. Die Veranstalter*innen des »Common Ground«, dem Programm der Schwerpunktregion Südosteuropa für die Jahre 2020 bis 2022, waren am Freitagabend dennoch froh, wenigstens diese eine Veranstaltung mit dem Titel »Die guten Tage« vor Publikum im Garten des Haus des Buches stattfinden zu lassen.

Unter Vogelgezwitscher und den letzten Sonnenstrahlen verlor auch der Buchmesse-Direktor Oliver Zille noch einige Dankesworte und machte Hoffnung, dass »Common Ground« nächstes Jahr auch endlich seinen Platz auf der Buchmesse finden wird. Es wäre wünschenswert. Und zurzeit ist sowieso nicht auszumachen, dass die deutschsprachigen Veröffentlichungen über den ex-jugoslawischen (Erfahrungs-)Raum stagnieren. Vielmehr gehört dem Schreiben über Südosteuropa immer mehr ein fester Platz in der post-migrantischen Literatur.

Für den Auftakt der Lesung wurden einige der kraftvollen Gedichte Shpëtim Selmanis – ins Deutsche übersetzt – vorgetragen. Selmanis Lyrik benennt die offenen Wunden und die noch immer gegenwärtigen Erfahrungen des jugoslawischen Zerfalls. Entgegen dem Titel der Lesung macht Selmani deutlich: es gilt noch die Stille und das Traumata zu überwinden.

Auch Sandra Gugićs Buch steht im Zeichen der literarischen Auseinandersetzung und des Verstehens aus der Sicht eines Wiener Gastarbeiterkinds, das sich über ihre Familiengeschichte immer auch mit dem Zerfall Jugoslawiens beschäftigt. Jörg Plath führte das Gespräch, das dann leider zu sehr in eine literaturtheoretische Befragung mündete. Schließlich nahm Tijan Sila die Zuhörer*innen mit in die rotzige und zugleich kämpferische Welt seines neuen Romans »Krach«, die auch mal seine Welt war. Hier werden unterhaltsam, aber nicht minder ernst, das migrantische Aufwachsen in erster Generation im pfälzischen Kaff besprochen, mit all seinen Unwägbarkeiten und Aufbrüchen. Sila beweist, dass der Punk noch immer ein Ort für die Randständigen sein kann, so wie damals für den Autoren.

Einige gute Tage scheint es in der postjugoslawischen Erinnerung dennoch zu geben, auch wenn man sie sich allzu oft erkämpfen muss.

Beitragsbild: © Lea Zupančič / Common Ground


Die Veranstaltung: TRADUKI, S. Fischer Verlag: Die guten Tage. Moderation: Anila Willms, Jörg Plath, Arno Frank. Haus des Buches, 29.05. 20 Uhr. Informationen zu Common Ground unter traduki.eu.


Die Bücher:
Shpëtim Selmani: Libërthi i dashurisë. Prishtina: Armagedoni 2019. 82 S.
Sandra Gugić: Zorn und Stille. Hamburg: Hoffmann und Campe 2020. 240 S., 24€.
Tijan Sila: Krach. Berlin: Kiepenheuer & Witsch 2021. 272 S., 20€.


Der Rezensent: Thore Freitag