Wenn ein Nachmittag auf der Buchmesse zu einer Nacht im Wald wird

Thomas Finn liest aus seinem neuen Horrorthriller »Lost Souls« auf der Leipziger Buchmesse 2018.

Thomas Finn. © Florian Lacina

Auf der Buchmesse herrscht reges Treiben. Die Menschen schlendern durch die Hallen, verweilen an Ständen, und doch wirkt alles hektisch und wirr aufgrund der vielen Personen. Man genießt es, endlich einmal zu sitzen und einer Stimme lauschen zu können. Passend zu der Szene, die der Autor liest, gibt Finn seiner Stimme eine energische Haltung, mit der er seine Zuhörer in den Bann der Szene ziehen kann. Man fühlt sich hineinversetzt in die Stimmung, die er vermitteln möchte.

So passiert es, dass Jessika Raapke und ihre Patentochter Leonie, die zusammen nach Hameln gezogen sind, nachts mit dem Auto unterwegs zu ihrem neuen Heim sind. Dabei müssen die beiden Frauen durch einen dunklen Wald. Ratten lauern ihnen auf und verfolgen sie. Zusammen mit Peter Rating, dem Schädlingsbekämpfer in Hameln, überstehen sie eine Konfrontation mit diesen und gelangen schließlich zu dem Haus. Doch auch dort lauert die Gefahr, denn die Nagetiere verfolgen sie noch immer. Ihnen bleibt nichts anderes übrig, als zu versuchen ins Haus zu flüchten, denn die Ratten formieren sich schon wieder neu. Die beiden Frauen und Rating schaffen es rechtzeitig, wenn auch knapp, ins Haus, womit die Szene und somit auch die Lesung endet.

© Droemer Knaur

Die Szene spiegelt die Thematik des Romans sehr gut wieder, denn in diesem geht es grob gesagt um den Rattenfänger von Hameln. Dabei handelt es sich allerdings um keine neue Form der Sage, sondern der Text ist eher als eine Art Weiterführung dieser zu verstehen. In einer Kirche wird ein Sarkophag mit Gebeinen eines Unbekannten gefunden. Nachdem dieser geöffnet wurde, wird ein Fluch aus der Zeit des Rattenfängers wieder aktiv. Allerdings ist der Fluch noch nicht beendet, denn es fehlen noch drei Menschenopfer, beziehungsweise deren Nachfahren. Die drei Kinder, die in der Sage überlebten, sollten dem Fluch ebenso zum Opfer fallen. Nun hat der Fluch, personifiziert durch einen Unbekannten, der sich die Ratten zu Hilfe nimmt, die Möglichkeit beendet zu werden. Dagegen müssen die Protagonistin und ihre Begleiter bestehen.

Thomas Finn schafft es mit seiner dunkel klingenden Stimme und seiner Art vorzulesen, die Geschehnisse von Jessika Raapke und ihren Begleitern für seine Zuhörer vorstellbar werden zu lassen. »Schon stürzten drei weitere Rattenkörper mit langen Schwänzen zwischen die Scheiben, gebärdeten sich dort wie wahnsinnig, verklemmten sich zwischen den Karosserien und kratzten aggressiv über den Lack der Tür.« Dieser Satz verursacht bei den Zuhörern ein Zusammenzucken und unangenehme Gänsehaut. Die Stimme des Autors und der passend gewählte Ausschnitt aus dem Horrorthriller haben die Lesung interessant gemacht und die Neugierde auf mehr geweckt. Man möchte am liebsten sofort das Buch kaufen und weiter in die Geschichte eintauchen, um mit der Protagonistin das Geheimnis der Ratten herauszufinden und dem hektisch wirkenden Treiben der Buchmesse zu entfliehen. Doch obwohl Finn die Zuhörer in den Bann der Geschichte zu ziehen vermag, wirkt seine anbehaltene Winterjacke und auch sein ständiges kontrollieren der Uhrzeit eher hektisch und eilig und die Illusion der Szene entschwindet.

Beitragsbild: Thomas Finn während der Lesung. © Janine Frenzel


Die Veranstaltung: Thomas Finn liest aus »Lost Souls«, Buchmesse Leipzig, Leseinsel Fantasy, Halle 2, Stand H410/J400, 16.3.2018, 14.30 Uhr

Das Buch: Thomas Finn: Lost Souls. Droemer Knaur, München 2018, 528 Seiten, 9,99 Euro, E-Book 9,99 Euro


 

 

Die Rezensentin: Janine Frenzel