Stefan Kutzenberger spricht mit Roman Kollmer über seinen autobiografischen Debütroman. Das Ganze bleibt angenehm unspektakulär.
Das Gespräch beginnt mit einem Exkurs. Thema: erst Österreich, dann Hitler. Das ist brisant, aber die österreichischen Herren auf der Bühne gehen ganz entspannt an die Sache ran. Interessanter Gedanke, findet Moderator Roman Kollmer: Adolf Hitler wurde von der Kunsthochschule in Wien abgelehnt – und zwar von der Vertretung eines krankheitsbedingt verhinderten Landschaftsmalers. »Der hat ja auch Landschaften gemalt, also wenn der andere nicht krank geworden wäre, wer weiß, ob dann …«

Dieses Spiel mit Biografien, das Ausloten des Möglichen ist ein kluger Übergang zum Debütroman des Literaturprofessors Stefan Kutzenberger. Dieser ist präsent, sympathisch, auf eine lockere, im besten Sinne unprofessionelle Weise. Diese Zugänglichkeit scheint ihm zu liegen, nimmt er doch auch in seinem Buch »Friedinger« wenig Rücksicht auf seine eigenen Befindlichkeiten und tritt unverfälscht als er selbst auf: als Autor, dem seine Frau drei Wochen »Schreiburlaub« auf Kreta geschenkt hat. Hier will er sich endlich einem seiner drei Romanprojekte widmen. Denn »das Einzige, das noch lächerlicher ist als ein unpublizierter Autor, ist ein Autor, der nicht schreibt.« Das soll sich ändern, und man fragt sich als Leser, welche der drei Versionen man denn nun in der Hand hält. Eine schöne Spielerei mit der Metaebene, die jeder autobiografische Roman aufweist. Am Ende kommt der lyrische Kutzenberger natürlich doch nicht zum Schreiben. Stattdessen hört er sich die Erzählungen des titelgebenden Herrn Friedinger an – ein, so der echte Kutzenberger, »waschechter Krimi, mit einem Toten, mit Politik und allem was dazugehört.«
Wesentlich bleibt für den Moderator aber die autobiografische Dimension. Kutzenberger weicht dahingehenden Avancen mal mehr, mal weniger kunstvoll aus. Wohl kaum aus Kalkül, dafür wirkt er nicht abgebrüht genug. Man merkt, die Situation ist ihm neu. Das ist erfrischend; seine Begeisterung fürs Schreiben ist echt, geradezu unschuldig. Er selbst kommentiert diesen Zustand mit den Worten, man wisse ja als unpublizierter Autor nicht, wohin die Reise gehe. Dadurch schreibe man frei und hemmungslos, ohne Erwartungen. Aber nicht ohne Überzeugung: »Kunst muss fanatisch sein, man muss alles hineinwerfen. Und am Ende sich selbst, es darf nichts mehr übrigbleiben.«

Diese Leidenschaft wird im Gespräch spürbarer als bei der eigentlichen Lesung. Offenbar ungeübt im Vortrag nichtwissenschaftlicher Texte trifft Kutzenberger nicht ganz den lakonischen Tonfall, der den Roman so lesenswert macht. Kutzenberger steht auf, macht einen Witz über Gottesdienste und liest tatsächlich im Stehen. Erst die Eröffnungsszene, einen recht expliziten erotischen Traum mit einer skurrilen Wendung, dann ein Gespräch mit zwei charmanten Backpacker-Französinnen. Es wirkt, als wäre ihm das Geschriebene völlig unbekannt und er primär amüsiert von der Situation. Ähnlich ergeht es dem Publikum, größtenteils fortgeschrittenen Alters. Die meisten wissen die gelesenen Passagen nicht recht einzuordnen, können sich aber ein irritiertes Dauergrinsen nicht verkneifen. Und so ist das Gefühl, das bleibt, angenehm leichtfüßig. Niemand scheint am Ende zu wissen, wieso er oder sie hier war, aber alle haben sich redlich bemüht, die halbe Stunde angenehm zu gestalten. Das ist hervorragend gelungen.
Beitragsbild: Kaffeestunde: Der Autor im Gespräch mit dem Moderator. © Jonas Galm
Die Veranstaltung: Stefan Kutzenberger: Friedinger. Moderation: Roman Kollmer. Österreich Kaffeehaus, Halle 4, Stand D213/E210, 15.3.2018, 11.30 Uhr
Das Buch: Stefan Kutzenberger: Friedinger. Deuticke/Paul Zsolnay Verlag, Wien 2018. 22 Euro, E-Book 16,99 Euro
Der Rezensent: Jonas Galm