Karl-Heinz Baum liest im Literaturcafé nur ungern aus seiner Textsammlung »Kein Indianerspiel«.
»Vielleicht möchtest du uns die Stelle mal vorlesen?«, fragt Gesprächsleiter Uwe-Eckart Böttger seinen alten Freund Karl-Heinz Baum, der soeben frei und unsicher eine Anekdote erzählt. »Nee, aber du kannst ja mal etwas darüber sagen!« Kurzes Schweigen zwischen den drei Herren, die auf Einladung der Friedrich-Ebert-Stiftung im Literaturcafé des Haus des Buches am Diskussionstisch Platz genommen haben. Dann sagt Böttger etwas darüber, Baum unterbricht jedoch mit Bemerkungen, schweift ab.
Nach viertelstündiger Vorstellung des Autors, des Herausgebers Jürgen Klammer und Böttgers, hatte Karl-Heinz Baum erstmals widerwillig einen Abschnitt gelesen. Er gibt schnell wieder auf, denn nach eigenem Bekunden verfügt er »noch nicht« über eine Brille und kann den Text deshalb nur mit Mühe entziffern. Aus dem Publikum wird hilfsbereit eine Lupe gereicht, leider nützt sie nicht viel. Baums Lesevortrag beschränkt sich also auf zehn Minuten, verteilt über eineinhalb Stunden.
Karl-Heinz Baum war zwischen 1977 und 1990 der DDR-Korrespondent der Frankfurter Rundschau in Ost-Berlin. Für »Kein Indianerspiel« hat der Herausgeber – er sitzt neben Uwe-Eckart Böttger, schaut meist versteinert ins Nirgendwo – Zeitungsartikel aus Baums Tätigkeit ausgewählt und sie um erklärende Hintergrundtexte ergänzt. Ein Thema: »Wie Asylsuchende vom Flughafen Schönefeld in Ost-Berlin an die Mauer gebracht wurden«. Im dazugehörigen Hintergrund wird Baums Auftrag erklärt, herauszufinden wo all die Flüchtlinge herkamen, die täglich in West-Berlin auftauchten. Durch Versteckspiel mit der Stasi, Glück und langes Warten konnte er beobachten, wie die DDR als Schleuser für libanesische Flüchtlinge fungierte, mit Polizeieskorte vom Flughafen bis an die Grenze.
Im Literaturcafé bleiben diese investigativen Arbeiten allerdings unerwähnt. Es gibt Anekdoten aus dem Alltag: Lange Schlangen vor dem Kaufhaus mit amerikanischen Jeans, Salzmangel im Lebensmittelhandel. Wir erfahren die Telefonnummer von Baums Wohnung in Ostberlin.
Karl-Heinz Baum fühlt sich sichtlich unwohl, deshalb wird nach einer Dreiviertelstunde das Gespräch mit dem älteren und wenig begeisterten Publikum eröffnet. Die Ersten verlassen das Café: »Wissen wir schon, waren ja dabei.« Ein Zuhörer benötigt fünf Minuten, um eine Frage zu stellen, die die Diskutanten kaum verstehen. Jürgen Klammer, neben Böttger und Baum platziert, erwacht aus seiner Starre und erläutert, dass in der DDR die Kirche wichtig für Oppositionsarbeit war. Wissen auch die, die nicht dabei waren.
Wer allerdings weder das Buch gelesen, noch in der DDR gelebt hat, dem leuchtet der Zusammenhang zwischen den bruchstückhaften, dauernd unterbrochenen Geschichtchen kaum ein.
Unbebrillt, dafür mit Lupe, verschenkt Karl-Heinz Baum hier deshalb die Möglichkeit sein gut durchdachtes Buch dem Publikum schmackhaft zu machen. Die wenig vorbereiteten Begleiter tun dazu ihr Übriges. Böttger bringt keine erkennbare Struktur in das Gespräch und Herausgeber Klammer hat dem wenig hinzuzufügen.
Beitragsbild: Karl-Heinz Baum, Uwe-Eckart Böttger und Jürgen Klammer (von links nach rechts) im Gespräch mit dem Publikum. © Katja Murschel
Die Veranstaltung: Kein Indianerspiel – DDR-Reportagen eines Westjournalisten, Literaturcafé im Haus des Buches Leipzig, 17.1.2018, 19 Uhr
Das Buch: Karl-Heinz Baum: Kein Indianerspiel. DDR-Reportagen eines Westjournalisten. Ch. Links, Berlin 2017, 240 Seiten, 15 Euro, E-Book 9,99 Euro
Der Rezensent: Konrad Bunk