Vom Schicksal der Krochs

Zur Buchpremiere von »Kroch Der Name bleibt« finden sich im Ägyptischen Museum der Universität Leipzig interessierte Besucher und Nachfahren der jüdischen Familie ein.

Bei 30 Grad flanieren Frauen in luftigen Blumenkleidern durch die Innenstadt, Kinder spielen an den Wasserfontänen der Grimmaischen Straße und Musiker beschallen mit südländischen Klängen die Einkaufspassage. Ein Bild der Unbeschwertheit im Sommer 2018.

Eine Ecke weiter, im Ägyptischen Museum der Universität Leipzig, ist die Laune ebenso gut, wie auf der Flaniermeile, aber das Thema des Abends ist weit entfernt von dieser Leichtigkeit. Es geht um eine besondere Familie, die Leipzig vor allem in den 1920er Jahren prägte.

Wie sah wohl der Sommer vor 85 Jahren aus? 1933, als die NSDAP die Macht ergriff und sich der Antisemitismus wie ein braunes Tuch über die Bevölkerung legte?

Der Autor Rolf H. Weber. © Universität Zürich

Wie der Autor Rolf Weber während der Buchpremiere verrät, ist dank der Firmenakten des Familienunternehmens eine Rekonstruktion der Vorgänge zu dieser Zeit zumindest teilweise möglich. Unter anderem durch diese Unterlagen konnte die hinterhältige Enteignung von 1933 bis 1989 sehr genau nachvollzogen und überliefert werden: Unter Samuel Kroch gelang der polnischstämmigen Familie der soziale Aufstieg vom Getreidehandel zum Bankhaus und Immobilienkonzern. 1928 ließen sie auf dem Grundstück der Universität Leipzig, der Goethestraße 2, das erste Hochhaus der Stadt bauen, in das das Bankhaus Kroch zog. Doch der Erfolg des Familienunternehmens wurde durch die Nationalsozialisten in kurzer Zeit vernichtet und auch der Sozialismus der DDR brachte der Familie ihr Eigentum nicht zurück, sondern enteignete vermeintlich Gerettetes endgültig.

© Mitteldeutscher Verlag GmbH

»Kroch – Der Name bleibt« ist eine Schicksalsdarstellung des jüdischen Familienunternehmens in Leipzig. Vorgestellt wird das Werk im ehemaligen Bankhaus, auch bekannt als Kroch-Hochhaus. Mit 43 Metern und den sehr markanten Glockenmännern ragt das Gebäude am Augustusplatz in den Himmel und gehört fest zum Stadtbild des Zentrums. Ein Blick nach innen eröffnet die Baukunst und den Geschmack der Krochs in den 30er Jahren: Stuckrelief im ehemaligen Kassenraum der Bank, aufwendige Wandbemalungen, Fußboden aus weißem Marmor, Treppengeländer und Pfeiler aus Terrakotta sowie Muschelkalkverzierungen im und am gesamten Haus. Heute beherbergt es unter anderem das Ägyptische Museum der Universität.

Im Anschluss an die Buchvorstellung richtet sich spontan der Nachfahre Howard Kroch ans Publikum. Auf die Frage, weshalb keiner der Krochs mehr in Leipzig wohne, berichtet er von einem Erlebnis Anfang der Neunziger: Einige Familienmitglieder trafen sich zu einem Kaffee in der Innenstadt. Als sie Banner mit ausländerfeindlichen Parolen entdeckten, verletzte das die Familie so stark und erinnerte sie an Erlebtes, dass sie beschlossen, die Stadt zu meiden. Seine Worte dringen deutlich in die Ohren des Publikums. Aber Howard Kroch spricht weiter: Leipzig habe sich gewandelt und würden er und seine Frau nicht schon seit Jahren in Hamburg leben, so wäre Leipzig nun wieder eine Option für sie. Der Applaus für die Premiere geht über in angeregte Gespräche und Klirren der Sektgläser am Buffet. Es bleibt Zeit für ausgelassene Gespräche mit den Autoren und der Familie Kroch.

Beitragsbild: Trotz der schweren Kost des Abends war am Buffet Platz für kleine Leckereien. © Isabell Hildebrandt


Die Veranstaltung: Rolf H. Weber, Buchpremiere »Kroch – Der Name bleibt«, Kroch- Hochhaus, Goethestraße 2, 29.5.2018, 18 Uhr

Das Buch: H.-O. Spithaler, R. Weber, M. Zimmermann: Kroch – Der Name bleibt. Mitteldeutscher Verlag GmbH, Halle (Saale) 2018, 160 Seiten, 20 Euro


Autorin Isabell Hildebrandt

 

Die Rezensentin: Isabell Hildebrandt