Eine Lesung zu Anja Kampmanns zweitem Lyrikband »der hund ist immer hungrig«.
Pünktlich um 18 Uhr erscheint im Livestream die Bühne von Horns Erben. An einem kleinen, runden, rehbraunen Holztisch sitzen sich der Literaturkritiker und Moderator Tino Dallmann und die Autorin Anja Kampmann gegenüber. Hinter Dallmann steht eine Lampe mit einem roten und einem beigen Lampenschirm. Beide tragen hellbraune Lederschuhe und eine schwarze (Strumpf-)Hose, Dallmann ein hellblaues Hemd mit hochgekrempelten Ärmeln, Kampmann eine zartgraue lange Jacke. Vor Kampmann steht ein Glas Weißwein, vor Dallmann eine Flasche Wasser und das Buch, um das sich der Abend dreht: »der hund ist immer hungrig«.
Dallmann beginnt mit einer Vorstellung der Autorin und ihrer bisherigen Werke: dem Roman »Wie hoch die Wasser steigen« und dem ersten Lyrikband »Proben von Stein und Licht«. Es geht um die Bedeutung von Orten in der Lyrik und die Recherche, die dem Schreiben vorangeht. Dabei spielt die Gestaltung des Einbands eine Rolle. Zu sehen ist ein Ausschnitt des Wandfreskos aus dem Hirschzimmer des Papstpalastes in Avignon.

Kampmann liest das davon inspirierte Gedicht »es war das jahr« über Papst Clemens vor, der das Pestjahr 1348 zwischen zwei Feuern verbrachte. Das tut sie auf so zärtliche und ausdrucksstarke Weise, dass der ganze Raum von einer Intimität erfüllt wird, die so ergreifend ist, dass der Moderator beinahe peinlich berührt scheint. Seine gesamte Körpersprache wirkt unsicher. Auch während des Gesprächs kann er den Blickkontakt mit Kampmann kaum (aus-)halten.
Kampmann ruht dagegen völlig in sich. Mit übereinander geschlagenen Beinen, hört sie Dallmann aufmerksam zu und blickt beim Lesen oft ins Publikum. Trotz etwas geschwollener Augenlider wirkt die 37-Jährige jung, mit ihrem offenen, naturroten Haar beinahe mädchenhaft, gleichermaßen aber auch reflektiert und reif.
Es werden zahlreiche Themen angesprochen: das Motiv der Sehnsucht, die Natur als Ort der inneren Betrachtung, geklonte Pferde, die Temperatur von Gedichten und die Schönheit von Sollbruchstellen. Kampmann trägt insgesamt sechs Gedichte vor. Die 40 Minuten vergehen wie im Flug, haben inhaltlich enorm viel zu bieten und machen Lust auf mehr, mehr Lyrik von Anja Kampmann.
Beitragsbild: Autorin Anja Kampmann © Juliane Henrich und Cover © Hanser Literaturverlage. Bildbearbeitung von © Annekathrin Queck
Die Veranstaltung: 29.05. 2021: 18-18:40 Uhr, Horns Erben Livestream: «Der Hund ist immer hungrig: Gedichte».
Das Buch: Anja Kampmann: der hund ist immer hungrig. Gedichte. München: Hanser Verlag 2021, 120 Seiten, 20 Euro.