Über den Witz der Tragik

Matthias Schmidt im Gespräch mit Axel Ranisch über seinen Debütroman »Nackt über Berlin«.

»Ich würde nicht gehen, denn das Beste kommt zum Schluss.« So der Versuch von Matthias Schmidt die gehenden Menschen vom Bleiben zu überzeugen. Er wird die folgende halbe Stunde das Gespräch mit Axel Ranisch führen. Tatsache ist: so voll wie die Wagenknecht-Veranstaltung wird diese nicht mehr werden. Verwunderlich allerdings, Ranisch ist in der Literaturbranche zwar ein Newcomer, unter Filmkennern und Opernliebhabern jedoch eine namenhafte Person. Er hat für Opernproduktionen als Regisseur gearbeitet sowie zwei viel diskutierte Tatorte und zahlreiche eigene preisgekrönte Filme inszeniert. Seine schauspielerischen Qualitäten konnte Ranisch bereits als Hauptkommissar Schröder in der Krimireihe »Zorn« unter Beweis stellen. Heute ist er gekommen, um seinen Debütroman »Nackt über Berlin« zu besprechen. Das ARD-Forum auf der Leipziger Buchmesse scheint der geeignete Ort für jemanden zu sein, der bereits bei so vielen ARD-Produktionen mitgewirkt hat.

© ullstein fünf

Schmidt und Ranisch harmonieren gut. »Wir kennen uns schon ganz lange. Nämlich seit heute Morgen.« Das Publikum ist entzückt und nun kann man sich unterhalten. In das sanfte Blau der ARD gehüllt, wird natürlich zunächst über Ranischs Tatort-Produktionen gesprochen. Über seine Arbeit als Regisseur ist er zu seinem Roman gelangt. Er hatte die Vorstellung, den Schauspieler Thorsten Merten in einem Raum einzuschließen, dann seien aber immer mehr Figuren entstanden, die in diesem Ausmaß nicht in einen Film gepasst hätten. Also musste ein Buch her.

Im Roman finden die zwei Teenager Jannik und Tai, genannt Fetti und Fidschi ihren Schuldirektor eines Nachts zugedröhnt auf. Sie folgen ihm in seine Wohnung und halten ihn dort gefangen. Was als Scherz beginnt, gerät bald außer Kontrolle. Während Tai die Macht genießt, befindet sich Jannik in einem moralischen Konflikt. Seine Verliebtheit für Tai ignorieren, indem er die Sache auf eigene Faust beendet oder weiter mitspielen und somit auch Tai näher kommen? Ranisch beschreibt diesen Konflikt als zentrales Motiv, über den sich Jannik, der auch als Ich-Erzähler fungiert, emanzipiert.

Der Inhalt lässt zunächst eine furchtbar ernsthafte Geschichte erahnen, doch steckt in dieser so viel Humor und intelligent platzierte Situationskomik, dass der Leser ebenso oft schmunzelt wie er entsetzt ist. Er könne nur tragische Geschichten erzählen, wenn diese auch lustig seien. Für Ranisch ist es in allererster Linie eine Familiengeschichte. »Es passieren so viele witzige Dinge in Familien, die ein ganzes Buch benötigen.« So hört Jannik stets klassische Musik, um seine Mutter aus dem Zimmer zu halten. Ranisch zeichnet sich damit selbst, denn auch ihn begleitet die Leidenschaft für die Klassik schon seit Kindheitstagen an. Er erzählt, wie er als Teenager ständig Schönbergs diatonische Zwölftonmusik hörte, wenn seine Mutter mal wieder nervte. Mit klassischer Musik ließe sich sowieso besser rebellieren als mit Rammstein. Schließlich verbietet keine Mutter ihrem Kind laut klassische Musik zu hören. Es sind solche und andere Anmerkungen, die dem Publikum viele Lacher entlocken. Ranisch spricht mit dieser bodenständigen Authentizität, die die Menschen begeistert und eine angenehme Nähe während des gesamten Gesprächs vermittelt.

So einen Film zu drehen sei viel aufwendiger als ein Buch zu schreiben, merkt er resümierend an. Aufhören will Ranisch deswegen aber nicht damit. Das letzte Buch von ihm werden wir, so kündigt er an, auch noch nicht gelesen haben. Wie schön, denn mit diesem ist dem charismatischen und außerordentlich unterhaltsamen Axel Ranisch eine vielseitige Komposition und für mich persönlich der beste Schluss gelungen.

Beitragsbild: Matthias Schmidt (links) und Axel Ranisch (rechts) im Gespräch. © Maxi Rauschenbach


Die Veranstaltung: Matthias Schmidt im Gespräch mit Axel Ranisch, ARD-Forum, Buchmesse Halle 3, 15.3.2018, 17.30 Uhr

Das Buch: Axel Ranisch: Nackt über Berlin. Ullstein fünf, Berlin 2018, 382 Seiten, 20 Euro, E-Book 16,99 Euro


 

 

Die Rezensentin: Maxi Rauschenbach