Über den »unbändigen Überlebenswillen«

Anna Andlauer stellt in der Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig ihr Buch »Zurück ins Leben« über die Displaced-Persons-Kinderzentren Indersdorf nach dem Zweiten Weltkrieg vor.

In der Gedenkstätte für Zwangsarbeit herrscht immer eine Atmosphäre von Herzlichkeit und Dringlichkeit. Herzlichkeit, weil die Anwesenden ein gemeinsames Interesse teilen: die Aufarbeitung der Geschichte des Nationalsozialismus und seiner Verbrechen. Das schnürt zusammen, verbindet, nicht zuletzt, weil dieses historiografische Engagement eher selten oder nur äußerst brüchig in der deutschen Gesellschaft zu finden ist. Gleichermaßen begründet sich darin das Gefühl von Dringlichkeit, denn die Geschichte des Nationalsozialismus ist noch lang nicht aufgearbeitet, obwohl sein Ende schon 73 Jahre zählt.

© Anna Andlauer

Anna Andlauer verschreibt sich mit ihrem Buch »Zurück ins Leben. Die internationalen DP-Kinderzentren Kloster Indersdorf 1945–1948« einem verschütteten Komplex jener Geschichte: dem Danach. Die DP-Kinderzentren wurden in der amerikanischen Besatzungszone nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges durch die Nothilfe- und Wiederaufbauverwaltung der Vereinten Nationen (UNRRA) eingerichtet, um Displaced Children vorerst aufzunehmen und schließlich zu repatriieren. Eines dieser Kinderzentren befand sich im Kloster Indersdorf in Bayern, unweit von Dachau, in dem die leitende Sozialarbeiterin Greta Fischer versuchte, den traumatisierten und teils verwaisten Kindern etwas von Sicherheit und Zuneigung wieder zu vermitteln.

Dabei bewunderte Fischer zeit ihres Lebens – so Andlauer – den »unbändigen Überlebenswillen« der Kinder. Sie teilten unterschiedliche Schicksale: Viele, vor allem jüdische Kinder hatten Konzentrationslager überlebt; die Kleinsten unter ihnen wurden meist im KZ geboren oder kamen aus dem SS-Verein Lebensborn; andere waren Kinder von Zwangsarbeitern und Zwangsarbeiterinnen oder selbst solche, mussten für die Hugo-Schneider-Aktiengesellschaft (HASAG) arbeiten, der sich die Gedenkstätte für Zwangsarbeit widmet.

Die Gymnasiallehrerin Anna Andlauer präsentiert an diesem Abend ihre detaillierte Forschungsarbeit der letzten zehn Jahre, die in ihrem Buch »Zurück ins Leben« aufbereitet ist. Im Sinne Greta Fischers, der die Widmung des Buches gilt, legt sie immer wieder den Fokus auf einzelne Personen, die in Indersdorf betreut wurden. Sie rekonstruiert ihre Geschichten und gibt ihnen mit umfassender Diashow und Filmmaterial ein Gesicht. Dabei rücken in der Diskussion auch die Komplikationen beim Auffinden lebender Überlebender in den Blick, deren Wege sich nach dem Kinderzentrum Indersdorf meist unter geändertem Namen in die Emigration schlugen. Die Schwierigkeit und Besonderheit Andlauers Arbeit liegt vor allem darin, biografische und allgemeine Forschung miteinander zu vermitteln, beidem gerecht zu werden. Sie gibt einen Einblick in Alltag, Struktur und pädagogischen Ansatz des Kinderzentrums, und lässt zugleich – im übertragenen Sinn – jene Kinder zu Wort kommen, denen »zuzuhören wohl das Wichtigste ist« (nach Greta Fischer).

Beitragsbild: Anna Andlauer in der Greta-Fischer-Schule Dachau. ©Anna Andlauer


Die Veranstaltung: Anna Andlauer stellt ihr Buch über die DP-Kinderzentren Indersdorf vor, Moderation: Anne Friebel, Gedenkstätte für Zwangsarbeit, 29.1.2018, 18 Uhr

Das Buch: Anna Andlauer: Zurück ins Leben. Die internationalen DP-Kinderzentren Kloster Indersdorf 1945–1948. Überarbeitete Neuauflage, Weichs 2017, 261 Seiten, 17,90 Euro


 

 

Die Rezensentin: Lilli Helmbold