Und dann? Finka auf Mallorca mit Blick auf´s Meer oder doch eher Alltag im Altenheim mit gelegentlichen Besuchen der eigenen Verwandtschaft? Von letztgenanntem erzählt die Lyrikerin Martina Hefter in Ihrer neuen Veröffentlichung »Es könnte auch schön werden« während der Plagwitzer Gespräche.
Zugegeben, erst jetzt, als ich in der Bahn sitze und zur Heilandskirche Plagwitz fahre, um an der mittlerweile schon vierten Ausgabe der Plagwitzer Gespräche teilzunehmen, denke ich so wirklich über das Thema »Alter und wie das wohl so werden wird« nach. Ist ja noch alles etwas hin, bis es soweit ist. Wir sind ja schließlich auch nur so alt wie wir uns fühlen. Oder? Aber gibt es da nicht noch die, die schon alt oder krank und pflegebedürftig sind? Schon. Wie die Schwiegermutter des lyrischen Ichs aus »Es könnte auch schön werden« zum Beispiel. Diese ist in einem Pflegeheim zu Hause und so bekommen wir in den Gedichten und Sprechtexten Einblicke in Mittagsroutinen, Mahlzeitenpläne und Meinungsverschiedenheiten. Das lyrische Ich heißt auch Martina, die Schwiegermutter gibt es auch im realen Leben. Denn Martina Hefter lässt uns bei der Lesung Ihrer Texte teilhaben an einem Leben, ihrem Leben, als Familienangehörige für eine pflegebedürftige Person. Der Fokus liegt aber nicht auf der Tristesse des Pflegeheim-Lebens sondern vielmehr bei der Gedankenwelt des lyrischen Ichs.

In gemütlicher Atmosphäre und vor kleinem Publikum liest Hefter im Café der Heilandskirche Plagwitz verschiedene Stellen aus Ihrem neuen Buches, das bei kookbooks Berlin erschienen ist. In einem, wie sie selber sagt, ungewohnten Format, verleiht die Leipziger Performancekünstlerin ihren Texten normalerweise während Aufführungen mit Bühnenbildern und Kulissen eine weitere Ausdrucksdimension. Sie findet nach anfänglichen Startschwierigkeiten schnell den richtigen Sprachfluss, um die mal belustigenden und mal bedrückenden Geschichten des lyrischen Ichs und ihrer pflegebedürftigen Schwiegermutter vorzutragen. Sie erzählt von Tagesausflügen, die fast im Streit enden, weil das Essen von der Schwiegermutter nicht gemocht wird, von Spaziergängen ohne ein gesprochenes Wort oder von Vorwürfen, weil man zu wenig Zeit für Besuche einplant. Dazwischen mischen sich immer wieder Momente der Erinnerung, Zufriedenheit und Nostalgie. Besonders bedient sich Martina Hefter dem Bild von kleinen Teufelchen, die Flure und Zimmer bewohnen und Entscheidungen vom lyrischen Ich kommentieren, kritisieren und manchmal auch beeinflussen. Das führt mitunter zu amüsanten Konstellationen und lässt gekonnt Spielraum für Interpretationen.

So findet im Anschluss an die Lesung noch eine kleine Gesprächsrunde statt, bei welcher Besucher*Innen Zeit gegeben wird, eigene Erfahrungen mit dem Umgang von pflegebedürftigen Menschen zu schildern und auf das Gehörte einzugehen. Hier merke ich, wie sich das Publikum in den Texten wiederfindet. Natürlich wird auch über die Teufelchen gesprochen. Was bedeuten die jetzt? Wieso ausgerechnet Teufelchen? Haben die vielleicht sogar manchmal Recht? Eine richtige Antwort gibt es darauf nicht. Gewollt. Wie ich auch keine Antwort hab, auf die Frage, wie das so wird im Alter. Es könnte auch schön werden.
Beitragsbild: Martina Hefter beantwortet im Anschluss an die Lesung Fragen zu Ihren Texten. © Florian Herold
Die Veranstaltung: Plagwitzer Gespräche #4: »Es könnte auch schön werden«, zu Gast Martina Hefter, Heilandskirche Plagwitz, 23.08.2018, 19 Uhr
Das Buch: Martina Hefter: Es könnte auch schön werden. kookbooks, Berlin 2018
Der Rezensent: Florian Herold