Sind wir nicht alle Egomanen?

Das Buch »#Egoland« erschien im April, Prinz Pi schrieb den dazugehörigen Titelsong und bald soll es sogar von Matthias Schweighöfer verfilmt werden. Der Autor Michael Nast war am Samstag zur Lesung in Leipzig zu Besuch.

 

»Here we are now, entertain us.«

An die Zeile aus dem Nirvana-Song, welche Michael Nasts Buch #Egoland einleitet, denke ich, als ich aus dem Lesungssaal des Haus Leipzig trete. Das Publikum schien mit ebendieser Forderung zur Lesung gekommen zu sein und wurde offensichtlich nicht enttäuscht. Eine lange Reihe von überwiegend weiblichen Fans wartet darauf, sich ihr Buch signieren zu lassen. Nast scheint die Aufmerksamkeit zu genießen, gibt fleißig Autogramme und posiert hin und wieder mit ein oder zwei Mädels unterm Arm vor der Kamera. Er hat sein Versprechen von der Bühne gehalten: »Ich signiere euch … was auch immer« sagt er mit schelmischem Lächeln und es ertönt lautes Gelächter. Schon der Einstieg der Lesung zeugt von Michael Nasts Selbstverständnis als eine Art Popstar. Während er einen Schluck Bier nimmt, betont er, wie gerne er in Leipzig auftritt und auch während der Lesung wird man das Gefühl nicht los, er würde mit dem Publikum flirten.

Das Buch mit zugehörigem Fan-Sticker © Edel Verlag

Im Haus Leipzig herrscht eine Stimmung, als befände man sich in einer Sitcom. Punktgenau fallen die Lacher in die Kunstpausen des Autors und die Zuhörer sind von seinen Gags mindestens genauso angeheitert wie Nast selber. Die Reaktionen der Gäste scheinen sich je nach Generation zu scheiden zwischen: »Oh, das kenn ich doch auch!« bei den Jüngeren und einem belächelnden:»Nein, wie bescheuert die doch sind!« bei den Älteren. Als der Anti-Held des Buches, Andreas Landwehr, sich fragt, ob es ihn reizen würde »eine Faschisten-Schlampe zu ficken«, hört zumindest das ältere Ehepaar in der Reihe vor mir auf zu klatschen und tauscht betretene Blicke aus. Michael Nasts Art, die ernste Thematik des Romans in seiner Lesung in eine Art Satire zu verwandeln, mag ein erfolgreiches Konzept sein, hat aber mit der angekündigten »Reise in die Psyche unserer Gesellschaft« (Homepage Haus Leipzig) nicht mehr viel zu tun. Außerdem lässt das Buch tiefer blicken, als man zuerst annimmt und immer mehr wird klar, dass Nast sich mit dem »charismatischen Schriftsteller Andreas« teilweise selbst porträtiert.

Was der Titel des Buches sowie seine Inszenierung über ihn als Menschen aussagen würden, frage ich den Autor am Autogrammtisch. Die Antwort überrascht. Nast meint, ein Schriftsteller müsse doch überhaupt erst einmal das Ego besitzen, um seine eigene Meinung und Worte als relevant genug zu erachten, um sie niederzuschreiben und fügt hinzu: »Bei einem Rockstar würde niemand etwas sagen.« Allerdings ist Nast nicht Kurt Cobain, sondern wird seit seinem Durchbruch mit »Generation Beziehungsunfähig« in den Medien als Gesellschaftskritiker gefeiert. Er packt seine mal mehr, mal weniger banalen Beobachtungen über Tinder-Dates, Whatsapp-fixierte Mitmenschen oder auch AfD-Anhänger in wohlformulierte, massentaugliche Häppchen und serviert sie seinen Fans auf dem Silbertablett bei Instagram, Twitter und Facebook. Dabei kommen leider mitunter auch Gemeinplätze und hinkende Vergleiche zum Einsatz. Eines muss man ihm jedoch lassen: er hat Medienkritik massentauglich gemacht und ihm gelingt es, das Thema auf eine unbeschwerte Ebene zu heben.

Gleichzeitig stelle ich mir die Rückfrage: Ist es nicht auch vermessen, als Studentin die Lesung eines Autors zu rezensieren, der mit seinem Buch Tausende von Lesern erreicht und begeistert hat? Über das Publikum und dessen Meinung und Einstellungen urteilen zu wollen und dies in einen kurzen Text wie diesen zu pressen? Eine Szene aus dem Roman kommt mir in den Sinn, in der der Journalist Werner an einem Enthüllungs-Artikel schreibt und diesen letztendlich doch nicht veröffentlicht, weil er an dem Gedanken verzweifelt, er zerstöre mit seinem Job mehr, als er Gutes tue. Genau diese Passagen über den Blick in die eigenen Abgründe und die Selbstzweifel der Protagonisten gelingen Nast auf eine beeindruckende Weise und schienen ihm wohl für eine Lesung zu ernst, zu schwermütig. Das Buch hat mehr zu bieten als nur ein paar Lacher und Bettgeschichten, es überzeugt durch die verworrene und spannende Geschichte um eine vom Erfolg zerrüttete Persönlichkeit und deren krankhafter Suche nach der perfekten Story.

Der Autor vor übergroßem Bild von sich im Anzug © Hanna Ahrens

Eines wird während der knappen zwei Stunden trotzdem deutlich: Dass uns die Selbstinszenierung mit Selfies und geschönten Urlaubsfotos in den sozialen Medien gewissermaßen zu Egomanen macht. Michael Nast scheint in diesem Sinne nur eines der Opfer der von ihm beschriebenen Phänomene zu sein. Gleichzeitig bedient er diese und verkauft sein eigentlich sehr spannendes Buch mit Phrasen, die die Aufmerksamkeitsspanne seiner Zuhörer nicht überstrapazieren, bevor sie sich wieder ihrem Smartphone zuwenden.

 

Beitragsbild: Michael Nast am Autogrammtisch © Hanna Ahrens


Die Veranstaltung: Michael Nast liest aus #Egoland, Haus Leipzig, 08.09.2018, 20:00 Uhr


Das Buch: Michael Nast: #Egoland, Edel Verlag, Hamburg 2018, 431 Seiten, 17,95 Euro, E-Book bei Kindle für 13,99


 

 

Die Rezensentin:Hanna Ahrens