Julia Ebner spricht am WBG-Verlagsabend über »Wut« und was Extremisten mit Schmetterlingen gemeinsam haben.

Wer wissen wollte, was eine anregende Diskussion zum Thema Schmetterlingspaarung zwischen dem slowenischen Philosophen Slavoj Žižek und dem Erfolgsautor Peter Henning mit globalen Terrornetzwerken zu tun hat, durfte den Verlagsabend der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft (WBG) nicht verpassen. Eingerahmt vom schicken Industrieflair des Kunstkraftwerkes versammeln sich am Freitagabend vier Flaggschiffautoren der WBG zur Podiumsdiskussion im Leipziger Westen.
Die großen gemeinsamen Themen dieser sehr unterschiedlichen Denker sind Grenzen, Extreme oder, angelehnt an Žižeks neues Werk, wachsende Disparitäten. Den ganzen Abend wird versucht, den großen Bogen von Dschihadisten und Rechtsextremen (Julia Ebner), über die neuen Grenzziehungen und Identitätsbildungen nach dem ersten Weltkrieg (Kersten Knipp), Slavoj Žižeks Reflexionen zum philosophischen Leitbegriff der »Disparität« und dem Sterben der Schmetterlinge (Peter Henning) zu spannen. Der hervorragende Moderator Knut Elstermann wird diesem ambitionierten Vorhaben den ganzen Abend über gerecht.
Die österreichische Extremismusforscherin Julia Ebner klärt in ihrem äußerst lesenswerten Buch »Wut. Was Islamisten und Rechtsextreme mit uns machen« über die sich gegenseitig bedingende Dynamik des Extremismus auf. Die beiden einflussreichsten Extrempositionen unserer Zeit verfolgen die gleichen Strategien und haben letztlich das gleiche Ziel: Sie treiben die Spaltung der Gesellschaft voran, sodass ihre Prophezeiung eines unausweichlichen Krieges des Westens gegen den Islam in Erfüllung geht. »Beide wollen Überreaktionen in der Gesellschaft hervorrufen, sodass die Polarisierung verstärkt wird und der Extremismus immer mehr in die Mitte rückt«, so Ebner. Eine Erkenntnis, die schlagartig an die Wortmeldung des rechten Verlegers Götz Kubitschek während der skandalträchtigen Diskussion zwischen Uwe Tellkamp und Durs Grünbein letzte Woche in Dresden erinnert. Kubitschek sprach von einem großen Riss, der durch die Gesellschaft geht, und plädierte dafür, diesen Riss unbedingt zu vertiefen.
Von der Dialektik des Extremismus, die Ebner auf herausragende Art und Weise in ihrem Buch herausstellt, leitet Elstermann zuerst etwas holprig zu Peter Hennings Werk »Mein Schmetterlingsjahr« über. Doch schnell wird auch dank Ebner klar, dass die Dialektik der Schmetterlinge – Inbegriff der Schönheit und gleichzeitig unheimliche Todesboten, man denke an die Totenkopfschwärmer aus »Das Schweigen der Lämmer« – ein perfektes Bild für die Ästhetik der Gewalt und des Unheimlichen ist, die Dschihadisten und Rechtsextreme gleichermaßen nutzen.
Die spannende Diskussion der vier Autoren zeigt ungeahnte Parallelen zwischen ihnen auf und mündet in dem Vorschlag Žižeks, dass sie alle zusammen ein Buch verfassen sollten, das die »Wut der Schmetterlinge und die 1918 beginnenden Disparitäten in Europa« behandle. Ein Mammutprojekt, das aber sicherlich über den Umgang mit den Widersprüchen, der wachsenden Vielfalt und Kontingenz, kurz über die Herausforderungen unserer Zeit aufklären würde.
Beitragsbild: Diskutieren über Weltkrieg, Schmetterlinge, Extremisten und Disparitäten: v.l.n.r.: Der Moderator Knut Elstermann, Kersten Knipp, Julia Ebner, Peter Henning und Slavoj Žižek. © Rewert Hoffer
Die Veranstaltung: Verlagsabend der WBG-Community, mit Vorträgen von Julia Ebner, Peter Henning, Slavoj Žižek und Kersten Knipp. Moderation: Knut Elstermann, Kunstkraftwerk, 16.3.2018, 19 Uhr
Das Buch: Julia Ebner: Wut. Was Islamisten und Rechtsextreme mit uns machen. WBG, Darmstadt 2018, 336 Seiten, 19,95 Euro, E-Book 15,99 Euro
Der Rezensent: Rewert Hoffer