Schlechtes Gewissen? Eine Philosophin schafft Abhilfe!

Ein philosophischer Beitrag zur Leipziger Buchmesse: Barbara Bleisch liest aus ihrem Buch »Warum wir unseren Eltern nichts schulden«.

© Carl Hanser Verlag

Voller Tatendrang, motiviert von den vorher gewonnenen Eindrücken der diesjährigen Messe, mache ich mich auf die Suche nach dem Forum Literatur. Wen ich vorfinde, ist die gehörlose ehemalige »Miss Handicap« der Schweiz – trifft man ja auch nicht alle Tage. Auch wenn sie ziemlich interessante Geschichten zu berichten hatte, gilt es jetzt, nachdem ihre Lesung vorbei ist, die Konzentration auf die Autorin Barbara Bleisch zu lenken.

Das Mikrofon wird nahtlos an die gebürtige Schweizerin weitergegeben – es bleibt also sozusagen in der Nation. Vom charismatischen schweizerdeutschen Dialekt ist kaum etwas zu spüren. Sie setzt sich mit der Frage auseinander – wie der Titel des Buches schon leicht anklingen lässt – ob Kinder ihren Eltern wirklich etwas schuldig sind, oder ob sich dieses Gefühl nur aus Konventionen heraus entwickelt hat. Im Vorfeld des Schreibens lag ihr Hauptanliegen darin, Begründungen für diese Konventionen zu finden. Dabei griff sie auf ihre berühmten Kollegen Kant und Schopenhauer zurück, deren Aussagen sie aber hauptsächlich abschwächte.

Mit von der Partie ist ebenfalls ihre Chefredakteurin des »Philosophie Magazins«, Svenja Flaßpöhler, die als Moderatorin fungiert und Bleisch zum Inhalt des Buches interviewt. Und wenn Barbara Bleisch gerade kein Buch und keine Kolumne schreibt? Dann ist sie entweder als Dozentin oder als Moderatorin im Fernsehen und Radio tätig. Wir haben es also mit einem philosophischen Allround-Talent zutun.
Auch ihre Veranstaltung wird begleitend von einer Gebärdensprecherin übersetzt. Aufgrund des Messetreibens wünscht sich wohl der ein oder andere, die Zeichen verstehen zu können, wenn das – akustische – Interview manchmal im Stimmengewirr untergeht.

Barbara Bleisch. © Mirjam Kluka

Die Veranstaltung findet bei Jung und Alt Anklang, jeder freie Sitzplatz wird sofort erspäht und für sich beansprucht.
Einige ihrer Ansichten könnte man in Frage stellen, zum Beispiel, dass es das Prinzip einer »Ersatztochter« nicht gäbe, da das Verhältnis mit keiner anderen Beziehung zu vergleichen ist. Würde man, rein theoretisch, aus einer Patchworkfamilie kommen – so wie, na ja, ich –, neigt man dazu, ihre Aussagen anfechten zu wollen. Denn in bestimmten Familien wird zwischen Stiefkindern oder Stiefgeschwistern und »Blutsverwandten« kaum ein Unterschied gemacht. Barbara Bleisch stellt aber selbst richtig, dass sie keine – ganz die Philosophin – allgemeine Antwort auf die Frage geben kann.

Sie gibt uns nur mit auf den Weg, dass ein »gutes« Kind sich aus guten Beziehungen und einem eigenen Leben zusammensetzt. Jedoch sollte man es sich vielleicht zweimal überlegen, das Buch an seine Eltern und Großeltern weiterzuempfehlen, denn dann könnte sich der Besuch bei ihnen auch erst einmal erledigt haben – zumindest wenn sie nicht offen für allgemeine Kritik sind.

Für alle, die ihr schlechtes Gewissen plagt, weil sie Sonntagnachmittag nicht zum Kuchenessen bei Mutti waren: Euch kann ich das Buch nur wärmstens ans Herz legen. Es erinnert daran, sich auch mal auf sich zu konzentrieren und sein Leben nicht immer für andere zu leben. Also, für kommenden Sonntag: Rausch ausschlafen, bingewatching bei Netflix & Co. oder, ein ganz persönlicher Tipp, noch die letzten Schnäppchen bei der Buchmesse abgreifen!

Beitragsbild: Die Autorin Barbara Bleisch (rechts) und ihre Chefredakteurin Svenja Flaßpöhler (links) klären aufkommende Fragen des Publikums im persönlichen Gespräch. © Lea-Tasmin Riedel


Die Veranstaltung: Barbara Bleisch liest aus Warum wir unseren Eltern nichts schulden, Moderation: Svenja Flaßpöhler, Forum Literatur, Buchmesse Halle 4, 15.3.2018, 14 Uhr

Das Buch: Barbara Bleisch: Warum wir unseren Eltern nichts schulden. Carl Hanser Verlag, München 2018, 208 Seiten, 18 Euro, E-Book 13,99 Euro


 

 

Die Rezensentin: Lea-Tasmin Riedel