Ivana Sajko stellt ihren »Liebesroman« im Haus des Buches vor, der sich gleichzeitig als erschütternder Kriegsroman erklärt.

Die Kroatin Ivana Sajko bringt ihre Übersetzerin Alida Bremer und Schriftstellerkollegen Clemens Meyer mit. Und sobald die ebenfalls aus Kroatien stammende Bremer das Wort ergreift, um zwischen dem Publikum und Sajko zu moderieren, holen ihre holpernden Vokale Osteuropa in den Raum. Denn so universell die Liebe ist, der Roman ist speziell kroatisch.
Das Publikum lernt das Ehepaar aus »Liebesroman« kennen, Sie und Ihn, namenslos und mittelmäßig, und die Liebe, erniedrigt von dem Realitätsdruck der Arbeitslosigkeit. Sajko zeigt, was in privaten vier Wänden passiert, wenn die Krisen der Welt hereinbrechen. Und so wirkt der Titel sarkastisch, da der Alltag aus Verzweiflung und Streit besteht, Hass schürt und Missverständnisse formt. Sajko spricht viel über die innere Panik der Figuren in dem »verzweifelten Wunsch, verstanden zu werden.«
Diesen Schrecken auf der sprachliche Ebene zu zeigen, gelingt eindrucksvoll durch Sätze, die wie Spiralen wirken, ineinanderfließen und einen Sog schaffen, der den drohenden Abgrund erahnen lässt. Dieser Rausch im Leseerlebnis wird gleich mehrmals am Abend erwähnt. So lacht Sajko, nachdem sie eine Seite auf Kroatisch vorträgt, es sei schwer aufzuhören. Auch wenn Meyer auf Deutsch vorliest, versinkt er sichtlich im Textgewebe und kann sich nur schwer stoppen, denn »es reiße einen so mit.«

Im Roman ist Er arbeitsloser Journalist und Sie eigentlich Schauspielerin, die jedoch das Kind erzieht. Sajko gibt zu, dass diese Berufe prätentiös klingen, aber symbolisch für die Lage von Kulturschaffenden in Kroatien stünden. Nun wendet sich das Gespräch plötzlich der Politik zu, wenn erklärt wird, wie die Regierung einen Keil zwischen »gewöhnliche« und die als »sozialdemokratisch« abgestempelten Künstler treibe. Wie die Gesellschaft machtlos vor den Entscheidungen der Mächtigen stünde und ihre Stimme nicht hörbar machen könne.
In »Liebesroman« bestimmt diese politische Verzweiflung den Hintergrund der Figuren und eskaliert in den Spannungen der Intimität. Die Auszüge der Lesung lassen den Leser erschüttert zurück. Kombiniert mit den Berichten über die Proteste der Kroaten gegen die rechte Politik, zeichnet der Abend ein düsteres Bild. »Beängstigend« ist somit passend einer der letzten Kommentare aus dem Publikum. Sajko hat ein wichtiges Werk geschaffen und heute viele Augen geöffnet.
Beitragsbild: Alida Bremer (links) jongliert zwischen der kroatischen Autorin Ivana Sajko (Mitte) und dem deutschsprachigen Publikum. © Marie Nowicki
Die Veranstaltung: Ivana Sajko: Liebesroman. Die Autorin in Lesung und Gespräch mit Alida Bremer und Clemens Meyer, Haus des Buches Leipzig, 16.1.2018, 19.30 Uhr
Das Buch: Ivana Sajko: Liebesroman. Voland & Quist, Dresden und Leipzig 2017, 176 Seiten, 18 Euro, E-Book 9,99 Euro
Die Rezensentin: Marie Nowicki