Pathetische Weisheiten aus dem Leben eines Autors

Der russische Autor Michail Schischkin wird zu seinem neuen (alten) Roman »Die Eroberung von Ismail« interviewt und spricht im Literaturcafé Leipzig mit seinem Traum-Übersetzer Andreas Tretner über das Leben, das Schreiben und das Übersetzen.

Der russische Autor Michail Schischkin, der heute in der Schweiz heimisch ist. © Evgeniya Frolkova

Montagabend – im mollig warmen, gut gefüllten Literaturcafé des Haus des Buches in Leipzig finden sich neugierig Interessierte zusammen und warten mit einem Wein in der Hand auf Michail Schischkin.

1961 in Moskau geboren, siedelt der einstige Lehrer 1995 in die Schweiz über und ist heute der einzige Autor, der mit allen Literaturpreisen, die man in Russland erhalten kann, ausgezeichnet wurde. »Die Eroberung von Ismail« brachte Schischkin bereits 1999 auf den Markt, jedoch in russischer Sprache. 2017 wurde sein Roman nun jüngst in die deutsche Sprache übersetzt.

Punkt 19.30 Uhr tritt er nebst seinem Übersetzer – und Moderator des heutigen Abends – Andreas Tretner auf und wird zunächst von diesem vorgestellt. Man könnte meinen, der Autor sei kein Mann großer – gesprochener – Worte, da er zu Beginn eher kurz angebunden wirkt, was jedoch später auf keinen Fall bestätigt werden kann. Im Laufe des Abends überhäufen sich Schischkin und Tretner mit Komplimenten, um zu entscheiden, wer denn nun mehr Lob verdiene: Der Autor, der, mit dem Ziel einen nächsten »Anna Karenina« zu schreiben, ein wortgewaltiges Werk schuf, was durch seine Schreibweise den russischen Prunk und Überfluss kaum besser hätte symbolisieren können, oder der Übersetzer, der das Unmögliche geschafft hat – und dies für deutsche Leser zugänglich machte. Schischkin selbst bezeichnet den Prozess der Übersetzung als die höchste Auszeichnung, die in der Literatur vergeben werden kann und zählt Tretner als Familienmitglied.

© Verlag DVA

Den Romananfang liest der Autor in russischer Sprache, welcher jedoch gleich im Anschluss von seinem Vertrauten übersetzt wird. Nach jedem Ausschnitt beginnt ein Diskurs zwischen den beiden Männern – über die Entstehung des Werkes, das Leben oder den Prozess der Übersetzung. Die Geschichten zweier Hauptfiguren werden im Roman erzählt, von denen eine Michail Schischkin selbst darstellt, da er beweisen will, was den Schaffensprozess seines Buches unterbrochen hat: das Leben. Er will, wie er sagt, die »totale Lüge« der Literatur überwinden und erzählt so im Epilog über das Begräbnis seines Vaters, die Zeugung seines Sohnes und abschließend die Geburt eben jenes.

Abgerundet wird der Abend von Schischkin, der in deutscher Sprache ebendiesen Epilog vorliest. Er erwähnte schon einige Male an diesem Abend, dass sein Roman eigentlich ziemlich »funny« sei und er fest daran glaube, dass ein Café voller russischer Zuhörer kaum die Gläser festhalten könne, ohne loszuprusten. Und das glaube ich ihm gern – ehrlich! –, aber vielleicht rührt die Verhaltenheit der Gäste daher, dass der Autor – nun nicht mehr in seiner Muttersprache – die Anekdote über zehn Erwachsene, die Ironie darin finden, in einem Fahrstuhl gefangen zu sein, eher monoton und trocken darbietet, und nicht mit dem nötigen Witz dahinter.

Der Inhalt des Buches kann ungefähr so gut zusammengefasst werden, wie die russische Geschichte selbst, also lässt sich die Eigenlektüre nur empfehlen. Seine Geschichten sind die Zeit, die es braucht, um die ausformulierten und mit Rückblenden versehenen Passagen in ihrer Gänze zu verstehen, mehr als wert.

Beitragsbild: Autor Michail Schischkin (rechts) und sein Lieblingsübersetzer Andreas Tretner (links). © Lea-Tasmin Riedel


Die Veranstaltung: Michail Schischkin liest aus Die Eroberung von Ismail, Moderation: Andreas Tretner, Literaturcafé Leipzig, 19.2.2018, 19.30 Uhr

Das Buch: Michail Schischkin: Die Eroberung von Ismail. DVA, München 2017, 513 Seiten, 26,99 Euro, E-Book 21,99 Euro


 

 

Die Rezensentin: Lea-Tasmin Riedel