»Nashörner sollte man nicht unterschätzen«

Bei der Lesung von Jan Strathmann zu seinem neuen Werk »Milla und der Nashornbus« werden Nashorn-Experten geboren. Es wird fantasiereich – und laut!

© dtv

»Könnt ihr mich alle sehen? Könnt ihr mich alle hören? Könnt ihr mich alle riechen?« Jede Frage wird bejaht. Der Autor Jan Strathmann nimmt es mit Humor. Sowie sich das noch schüchterne Buch in Strathmanns Tasche versichert hat, dass die Kinder nicht gefährlich sind, traut es sich heraus und ist bereit für seinen allerersten Auftritt.

Ich stelle mir die großen, neugierigen Kinderaugen vor, die ich unter anderen Umständen hätte beobachten können, säße ich nicht zu Hause vor dem Livestream. Ein Kind kriegt den Mund nicht mehr zu, das andere zappelt auf dem Stuhl herum, das nächste verschafft sich verträumt einen Eindruck von der Halle. Aber ohne sie zu sehen, kann ich mit völliger Gewissheit sagen: Sobald die Stimme Strathmanns erklingt, verfolgen allesamt, voller Interesse und völlig eingenommen von seiner mitreißenden Sprechweise, die erste Geschichte. Parallel zur Lesung können wir die zauberhaften Illustrationen von Sabine Wilharm auf einer Staffelei bewundern.

Als Antwort auf die Frage, ob die Kinder noch Lust auf eine zweite Geschichte haben, ertönt ein lautes »Jaaa!« Um gemeinsam mit Milla den Trompetenvogel, der sich von Geräuschen ernährt, zu retten, dürfen die Kinder aufstehen und mit aller Kraft ihre Stühle zum Schlagzeug umfunktionieren. »Lauter, lauter, das ist ja viel zu leise! Der hat Hunger!«, ruft Strathmann. Selbst für den Nachtisch hat der Krach gereicht.

Jan Strathmann © Sabine Würich

Bei der Fragerunde am Ende gibt es viel Gesprächsbedarf. Alle sind sich einig: Sollten sie jemals selbst LehrerInnen sein, werden sie netter als die »Schnipps«, Millas böse Lehrerin, mit den Schülern umgehen. Schlauer sind wir alle geworden, denn wir wissen nun, dass ein Nashorn eine gute Nase und gute Ohren hat, nicht springen, klettern und nicht gut sehen kann, schneller als ein Mensch und langsamer als ein Auto läuft und es durchaus ratsam wäre, immer freundlich zu ihm zu sein, vor allem in Gegenwart seines Nachwuchses. Des Weiteren hören sich die Schritte eines Nashorns so an, als würde es Hausschuhe tragen (»Ffft ffft«). Dadurch ließ sich Strathmann zu seinem Buch auf einer Safarireise in Afrika inspirieren.

Ob nun die Kinder, die das Glück gehabt haben, der Lesung vor Ort beizuwohnen, oder diejenigen, die zu Hause mit Mama und Papa vor dem Laptop saßen, ich bin mir sicher: Alle Knirpse träumen heute Nacht davon, wie sie mit Milla in Dörfelbach durch die Lüfte schweben, auf Nashörnern reiten, den Mond anheulen, Bären das Lesen beibringen, auf drollige Trompetenvögel treffen und den Sommer sowie den Seerobbenmann mit einer genialen Idee retten. Am Ende sind es keine »Hirngespinste« und »geflunkert« ist es auch nicht. Denn wer sagt schon, dass das, was in unserer Fantasie passiert, nicht vielleicht doch,wenigstens für uns selbst, Realität ist?

Beitragsbild: Jan Strathmann stellt sein Buch »Milla und der Nashornbus« vor. © Franziska Lindner


Die Veranstaltung: Jan Strathmann liest aus »Milla und der Nashornbus«, HALLE 5 – Kinder- und Jugendzentrum in der Kulturfabrik, online via YouTube-Livestream, 27.5.2021, 11:00 Uhr


Das Buch: Jan Strathmann: Milla und der Nashornbus. München: dtv Reihe Hanser 2021. 144 S., 14,95 €, E-Book 9,99 €


 

 

Die Rezensentin: Franziska Lindner