Der Versuch die letzte europäische Wildnis zu durchstreifen.
Im Leipziger Outdoorgeschäft Tapir haben sich am 27. Mai 2021 einige Zuhörer mit Maske und sicheren Abstand eingefunden, um der Lesung vom Rowohlt Taschenbuchverlag im Rahmen von »Leipzig liest extra« zum Buch »Wilder wird’s nicht« von Andreas Winkelmann und Markus Knüfken zu lauschen. Aber ich sitze bei mir zu Hause vor dem Monitor und sehe gespannt auf den Countdown, der den Start des Livestreams über YouTube anzeigt. 20 Uhr geht es los.
Eine leise Begrüßung ist zu vernehmen. Bis ich die Live-Übertragung sehe und der Ton geregelt wurde, dauert es noch einen Moment. Ein für mich unbekannt bleibender Moderator leitet die Veranstaltung ein. Es ist die erste Veranstaltung seit Januar 2020. Diesmal mit seriöser Herrschaft, sagt er hoffend. Die Vorhänge so gut wie möglich zugezogen, um das Tageslicht zu verdecken. Genug dringt noch hindurch. Inmitten von Outdoor-Rucksäcken im Verkaufsraum eine freigeräumte Fläche mit zwei Pulten in sicheren Abstand und einer Beamer-Leinwand auf der während des gesamten Abends Eindrücke der Reisen präsentiert werden.
Die Autoren sollen hervortreten und der Ton ist, wie der Moderator, weg. Wieder mit Ton klärt Andreas Winkelmann zu Beginn auf, dass sie alles andere als seriös sind. Markus Knüfken stimmt zu. Winkelmann, der in der geografischen Mitte Niedersachsens wohnt, schreibt normalerweise Thriller und hat nun sein erstes Sachbuch veröffentlicht. Obwohl er später zugibt, dass Thriller auch eine Art Sachbücher sind – als eine Anleitung zum Töten. Die Lesung des Buches ist eine Premiere und die letzte ist ein Jahr her. Dann mit Partner. Schwieriger? Die Vorbereitung im Hotel war furchtbar? Sie kennen den Text nicht wirklich? Etwas angetrunken? Der Abend erscheint nach Aussagen des Autors im Chaos zu enden. Und Knüfken? Er verkneift sich zu lachen. Er hat nicht getrunken, macht aber Diät und isst nur Früchte. Für ihn ist es die allererste Lesung überhaupt, denn er ist eigentlich gar kein Autor, sondern Manuel Neuer. Nein, Schauspieler. Er wohnt in Hamburg und hat ein Haus an der Ostsee, in dem er die meiste Zeit des letzten Jahres verbracht hatte. Dort hat er die erste Fassung des Buches geschrieben und Winkelmann hat letztendlich das finale Buch aus seiner eigenen Sicht geschrieben.

»Wilder wird’s nicht« ist ein Sachbuch über die gemeinsamen Reisen der Autoren und der Suche nach einer wirklichen Wildnis in Europa. Nach Abenteuer, Freiheit und rauer Natur. Sie stellen sich den Tieren und ihren Ängsten gegenüber. Wanderungen über und Gebiete Alpen, sowie in einem Nationalpark in Schwedisch-Lappland. Das Buch beinhaltet Karten ihrer Wanderrouten, sogar eine selbstgezeichnete von Knüfken; Fotos ihrer selbst und den Landschaften. Weiterhin enthält es Informationen über bestiegene Berge und Tipps für das Abenteuererleben.
Die Lesung beginnt Winkelmann mit dem ersten Abendteuer im Matratzenlager, eine Berghütte mit vielen aneinandergereihten Schlafplätzen. Viele Menschen, nach ihm gefühlt 140 von 120 Plätzen belegt, teilweise übereinander liegend oder bewegungsunfähig eingepfercht mit berauschender Schnarchkulisse und Gerüchen. Ich fühle mich leicht angeekelt. Er ist begeistert, mal lustig vorzulesen, bei einem Thriller geht das leider nicht so gut, nachdem jemand erschossen wurde. Gleich darauf folgt das nächste Kapitel, auch wenn der Beamer schon das übernächste einblendet. Beginnt hier schon ein Chaos und wird ein Kapitel mehr vorgelesen als es sollte? Ein Gespräch mit einem Hüttenwirt wird von Knüfken im österreichischen Dialekt vorgetragen. Winkelmann führt fort, wie sie feststellen müssen, dass bei dieser Reise das Abenteuer fehlt. Nun liest Knüfken, wie er findet, das traurige nächste Kapitel über den erschreckenden Ausblick auf ein mit Parkplätzen, Skiliften und Straßen bebautes Ötztal vor. Winkelmann kommentiert folgende Ereignisse und führt, fast nicht von mir bemerkt mit der Lesung des nächsten Kapitels fort und Knüfken übernimmt wieder Dialoge. Das Ende dieses Kapitels soll nun nicht verraten werden. Aber, oh je, Knüfken zeigt das nächste Foto und offenbart das Ende. Jetzt wird doch noch etwas erzählt. Das nächste Abenteuer wird ausgelassen und Winkelmann beginnt mit einem, in der sie sich in der wirklichen Wildnis befinden. Und nach weiteren Erzählungen folgt ein weiteres Kapitel. Ich frage mich, ob nicht schon fast das ganze Buch gelesen wurde. Danach wird weiter frei erzählt, bevor das letzte Kapitel kommt, diesmal wieder von Knüfken gelesen. Zum Schluss wird noch circa eine halbe Stunde von Erlebnissen erzählt und einige Fotos gezeigt. Der Moderator kommt hinzu und sie tauschen Erfahrungen aus.
Obwohl mich das Thema Outdoorreisen nicht interessiert, fand ich die Veranstaltung über zwei Stunden sehr interessant und beide Autoren mit ihrer witzigen Art sehr sympathisch. Im Gesamten war es keine typische Lesung und doch etwas chaotisch, da zwischendurch Erfahrungen der Autoren geteilt wurden, ohne weitere Moderation, was aber eine direkte Verbindung geschaffen hat. Mehr als nur ein bis zwei Textabschnitte, gefühlt wurde es das halbe Buch gelesen. Hier und da einige witzige Kommentare. Manchmal keine klare Unterscheidung, was ist Lesung oder Erzählung. Gerade deswegen kann ich jeden empfehlen den Livesteam nachzusehen.
Die Veranstaltung: Lesung und Gespräch Andreas Winkelmann, Markus Knüfken und unbekannten Moderator des tapir, online via YouTube-Livestream, 27.05.2021, 20:00 Uhr (Youtube)
Das Buch: Andreas Winkelmann mit Markus Knüfken: Wilder wird’s nicht. Auf der Suche nach Europas letzten Abenteuer. Berlin: Rowohlt Taschenbuchverlag 2021. 192 Seiten, 14 Euro, E-Book 9,99 Euro, Hörbuch 16,95 Euro.