»Moderne Eichhörnchen sind durchaus diskursiv«

Dirk von Lowtzow hat sein literarisches Debüt »Aus dem Dachsbau« geschrieben und präsentiert es unter großem Andrang im Conne Island.

Wenn Dirk von Lowtzow eine Lesung hält, nennt sich das »Pop-Lesung«. Denn man kommt nicht nur in den Genuss der eigentlichen Lesung, sondern darf auch auf den Gesang des Musikers hoffen. Eine Aussicht, die anscheinend viele Menschen begeisterte: Die Veranstaltung war nicht nur innerhalb kürzester Zeit ausverkauft, sondern auch die Presse-Plätze waren überaus begehrt und schnell erschöpft.
Die Folge davon: Leipzig lauscht kam zu spät und musste draußen bleiben. Dieser Andrang verdeutlicht allerdings sehr gut, wie sehr die Person Dirk von Lowtzow fasziniert und vielleicht auch, weshalb sie so polarisiert.
Da die Türen des Conne Islands also verschlossen waren, nun ein Blick auf den Debütroman und die Person dahinter.

»Aus dem Dachsbau«
Dirk von Lowtzow ist der Sänger und Songwriter der Band Tocotronic und ein weiterer Musiker, der zum Schriftsteller geworden ist. Allerdings handelt es sich in seinem Fall nicht um einen Roman, sondern um eine aus 72 literarischen Miniaturen bestehende Enzyklopädie über von Lowtzow selbst. Dabei ist das Buch auf eine überraschend distanzierte Weise autobiographisch und erinnert stark an das zuletzt erschiene Album Die Unendlichkeit der Band Tocotronic, wodurch das Buch fast wie eine organische Erweiterung des Albums erscheint.
Dabei folgen die Miniaturen alphabetischer Reihenfolge und führen von »A« wie »Alexander« über »D« wie »Dachs« zu »U« wie »Unendlichkeit« und schließlich zu »Z« wie »Zeit«.
Das Buch ist ein Ausflug durch die Gedankenwelt, Jugend und Gegenwart Dirk von Lowtzows und erzählt vom Anderssein, dem Älterwerden und dem Herumirren. Fotos, Zeichnungen, Gedichte und Songtexte ergänzen das Werk.

Eine der Skizzen aus dem Buch, hier zu »D« wie »Dachs« © Zarah Sorger

Der Leser erfährt teils banale Dinge über den Autor, wie sein kürzlich entstandener Putzfimmel oder sein übermäßiger Toilettenpapierverbrauch. Die wirklich persönlichen Abschnitte sind eher rar, aber dafür umso belohnender. So sind Texte wie »Alexander« sehr intim und geben einen kleinen Einblick in die emotionale Innenwelt des Autors. Der Leser erfährt, wie Alexander – ein langjähriger Freund von Dirk von Lowtzow – jung an einem Gehirntumor starb: »Bei seinem Begräbnis spiele ich Gott sei dank haben wir beide uns gehabt.« Eine Erinnerung, die sicher nicht nur Tocotronic-Fans berührt.
Die meisten der literarischen Miniaturen sind jedoch eher kryptisch und verschwommen. Oft wird nicht wirklich klar, worüber und weshalb berichtet wird. Viele Texte wirken eher wie Erinnerungsfragmente – verzerrt und surreal. So wird man von Texten wie dem »Operettenbär«, der davon erzählt, wie von Lowtzow nachts von jenem Fantasiewesen besucht wird, eher irritiert. Sprechende Meisen, diskursive Eichhörnchen und andere Wesen aus parallelen Welten ergänzen das Bild. Mitunter fragt man sich schon: Was will von Lowtzow mir damit sagen?

 

Mit seinen grauen Haaren fühlt Dirk von Lowtzow sich wie ein Dachs © Jutta Pohlmann

Auch wenn die Intentionen nicht ganz klar werden und die teilweise gewollt wirkende Unklarheit manchmal störend wirkt, gibt das Buch doch einen interessanten Einblick in das Leben und Denken des Autors. Es gewinnt vor allem mit seinen schrägen, humorvollen und auch emotionalen Abschnitten. Womöglich hat Dirk von Lowtzow das Buch auch einfach für sich selbst geschrieben, wie es im letzten, sehr gelungenen Text »Zeit« empfohlen wird: »Schreib alles auf. (…) Dann wirst du lernen, die Zeit zu überlisten.« Ob er es geschafft hat, bleibt unbeantwortet.

 

Beitragsbild: Ein Buch, das man überallhin mitnehmen kann © Zarah Sorger


Die Veranstaltung: Dirk von Lowtzow liest aus »Aus dem Dachsbau«, Conne Island, 21.3.2019, 20:00 Uhr
Das Buch: Dirk von Lowtzow: Aus dem Dachsbau. Kiepenheuer & Witsch, 2019, 180 Seiten, 20,00 Euro
Die Rezensentin:

 

 

 

Zarah Sorger