»Meine Sexszenen sind ja auch immer ein bisschen lustig«

Mut zur Erotiklesung! Timo Blunck liest aus »Hatten wir nicht mal Sex in den 80ern?« und kennt keine falsche Scheu vor den richtigen Stellen.

Timo Blunck © Elliot Blunck

Mit der Gitarre über der Schulter muss Timo Blunck sich erst einmal seinen Weg durch eine Ansammlung aufmüpfiger Herren mittleren Alters bahnen, die es eigentlich kaum erwarten können, sich einen Sitzplatz zu ergattern, nachdem sie bereits seit geraumer Zeit die – zurecht – entnervte Bedienung im Café Puschkin belagert hatten. Blunck nimmt an einem Hochtisch Platz und auch die neugierigen Herren finden ihr Plätzchen. Sie wirken nicht unbedingt wie die typischen Lesungsbesucher. Gut möglich, dass das Wort »Sex« im Titel sie angelockt hat. Und auch die 80er scheinen ihre Zeit gewesen zu sein – das gilt übrigens für die meisten Gäste.

»Hatten wir nicht mal Sex in den 80ern?« ist Timo Bluncks Debutroman. Eine Mutter hätte nicht stolzer klingen können. Der Hamburger ist eigentlich Musiker und so wird die Lesung hin und wieder durch Gesangseinlagen seinerseits unterbrochen. Passend, denn sein Buch gibt es auch als Platte. Musik sei neben Sex, Drogen und natürlich der ganz großen Liebe, das zentrale Thema in dem autobiografischen Buch des Postpunkers.

Auch wenn er behauptet, das Vorlesen wäre nicht seine Stärke und das Einsprechen des Hörbuchs habe sich angefühlt wie »zwei Monate Einzelhaft«, so schlägt er sich doch deutlich besser, als so manch andere Autoren – zumal Blunck sich bewusst dafür entscheidet, einige pikante Stellen seines Buchs vorzustellen. Mit der Stimme eines Fußballmoderators und ohne das kleinste Anzeichen von Scham haut er dem Publikum die Sexszenen um die Ohren. Auch wenn er kurz behauptet, er müsse sich erst Mut antrinken. Timo Blunck liest nicht, er spielt sein Buch. Die angekündigte Schnappatmung setzt zwar hin und wieder ein, doch stört das niemanden. Mit der Mimik eines Sängers und der Gestik eines italienischen Eisverkäufers wartete man regelrecht darauf, dass er sein Bierglas vom Tisch fegt.

© Verlagsgruppe Random House Bertelsmann

Bei den Drogenwitzchen lachen die Männer im Anzug am lautesten, aber darüber wundert sich vermutlich niemand. »Alle koksen. (…) Wenn du Geld hast, bist du viel eher dabei«, schreibt Blunck in seinem Roman und dem ist dann wohl nichts mehr hinzuzufügen. Der Protagonist des Buchs, Schröder, durchlebt in dem Roman auf der Couch einer Kette rauchenden Psychologin seine wilde Jugend erneut und dabei wird kein noch so schmutziges Detail ausgelassen. Herrlich unterhaltsam und voller spritziger Erotik. Bevor uns Blunck noch Sophia, Schröders große Liebe, vorstellt, erkundigt er sich nochmal schnell, ob alle Anwesenden auch über 18 sind. »Über 21 wäre besser …«, fügt er dann noch mit einem kleinen Grinsen hinzu.

Schmachtendes Schweigen macht sich im Publikum breit und hier und da gibt es ein verlegenes Hüsteln, als Schröder »Babys nächste Mahlzeit trinkt«. Blunck unterbricht sich selbst mit einem Gag und gibt damit so manchem kurz die Möglichkeit, den Sabber wieder runterzuschlucken. Keine falsche Scheu, wer so ein Buch schreibt, sollte auch dahinter stehen – oder darunter liegen, wie man(n) es eben lieber hat.

Eingängige Lieder wie »Ohne dich kann ich mich nicht mehr selbst befriedigen« bleiben auf jeden Fall erstmal hängen und wer sich am Schluss noch den Namen des Autors in sein Buch kritzeln lassen möchte, der hat auch dazu noch Gelegenheit. Die meisten ziehen es jedoch erstmal vor, sich noch ein Bierchen zu genehmigen.

Beitragsbild: Timo Blunck im Café Puschkin © Caroline Werner


Die Veranstaltung: Timo Blunck liest aus Hatten wir nicht mal Sex in den 80ern?, Café Puschkin, 15.3.2018, 20.30 Uhr

Das Buch: Timo Blunck: Hatten wir nicht mal Sex in den 80ern? Wilhelm Heyne Verlag, München 2018, 458 Seiten, 22 Euro


 

 

Die Rezensentin: Caroline Werner