Mehr Graphic als Novel

Antonia Kühn stellt ihr Comicdebüt »Lichtung« im Tapetenwerk Leipzig vor.

© Antonia Kühn/Reprodukt

Autorin und Künstlerin zugleich: die Graphic Novel »Lichtung« ist die erste gebundene Veröffentlichung von Antonia Kühn. In aufwendigen und authentischen Bleistiftzeichnungen erzählt sie die Geschichte von Paul, einem kleinen Jungen, der seine Mutter früh verloren hat und nun versucht, mit dem Verlust umzugehen und das Geschehene zu verstehen. Die Lesung findet im Tapetenwerk statt, einem ehemaligen Fabrikgelände in Leipzig, in dem sich heute viele Werkstätten und Ateliers befinden. Hier sind verschiedene Formen der Kunst zu Hause, also ein perfekter Ort für diese Lesung.

Viele Besucher haben es nicht durch das Schneegestöber der letzten Tage geschafft, doch das hindert Antonia Kühn und ihre Moderatorin Klara Groß nicht daran, die Lesung wie geplant zu beginnen. Die Atmosphäre erhält durch das kleine Publikum schnell eine familiäre Aura und man hat das Gefühl, willkommen zu sein. Frau Groß stellt die Autorin vor und dann beginnt diese, einzelne Fragmente aus ihrem Buch vorzulesen. Schnell wird klar, dass die Zeichnungen im Verhältnis zum Text stark überwiegen. Doch diese Art, die Geschichte zu erzählen, ermöglicht es, Emotionen so treffend zu vermitteln, wie Worte es wahrscheinlich niemals könnten. Das führt natürlich dazu, dass wenig vorgelesen wird, was allerdings überhaupt nicht schlimm ist. Antonia Kühn strahlt über einen Projektor die entsprechenden Comicausschnitte an die Wand, nicht jeder ist mit Text versehen. Doch das Publikum bekommt lange genug Zeit, die Bilder zu verinnerlichen, um die Geschichte im Kopf weiterzuspinnen. Das kommt scheinbar gut an, am Ende wird laut applaudiert.

Die Autorin Antonia Kühn. © Carsten Dammann

Zum Schluss stellt die Moderatorin der Autorin noch Fragen zum Buch, zur Entstehungsgeschichte und zum Prozess der Produktion. Auch für die Fragen des Publikums wird Zeit eingeräumt. Antonia Kühns Antworten sind stets sehr ausführlich und am Ende hat man das Gefühl, keine offenen Fragen mehr zu haben. Außer natürlich, wenn man das Buch noch nicht gelesen hat, denn selbstverständlich verrät die Autorin nicht alles über ihre tiefgründige Geschichte. Ganz am Ende bekommt man noch die Gelegenheit, das Buch zu erwerben und sich ein Autogramm der Autorin abzuholen. Es war durchaus schade, dass das Publikum recht klein ausgefallen ist, doch trotzdem war die Lesung im Großen und Ganzen sehr bereichernd, vielseitig und interessant. Und wer Lust hat, sich richtig in Erzählungen hineinzuversetzen und gerne in die Köpfe fiktiver Charaktere schlüpft, sollte sich auf jeden Fall einmal mit dieser Graphic Novel beschäftigen.

Beitragsbild: Antonia Kühns Lesepult für die heutige Veranstaltung. © Chantal Schmidt


Die Veranstaltung: Antonia Kühn liest aus ihrer Graphic Novel Lichtung, Moderation: Klara Groß, Tapetenwerk, 18.3.2018, 18 Uhr

Das Buch: Antonia Kühn: Lichtung. Reprodukt, Berlin 2018, 256 Seiten, 24 Euro


 

 

Die Rezensentin: Chantal Schmidt