Interview mit Wladimir Kaminer: »Wenn jemand diese Welt noch retten kann, dann sind es die Frauen«

Wladimir Kaminer bei Lesung seines Buches. © Josef Zierden

Wladimir Kaminer wurde 1967 in Moskau geboren und lebt seit 1990 mit seiner Familie in Berlin. Der russisch-deutsche Schriftsteller hat bereits über 25 Bücher publiziert. Außerdem wurden zahlreiche Verfilmungen und Hörbücher zu seinen Werken veröffentlicht. Wir haben den Autor bei der Signierstunde zu seiner Lesung über sein aktuelles Buch »Einige Dinge, die ich über meine Frau weiß« in Halle an der Saale getroffen.

 

Leipzig lauscht: Herr Kaminer, wie man hier heute Abend sehen kann, und nach dem was meine Recherche ergeben hat, finden sich viele deutsche Frauen in dem wieder, was Sie über Ihre Frau berichten. Somit wird nur bestätigt, worüber Sie schreiben: dass jeder eine »russische Frau« sein kann. Bekommen Sie auch negative Kritik für Ihre Beobachtungen?

Wladimir Kaminer: Ja, von meiner Tochter. Sie studiert an der Humboldt-Universität Europäische Ethnologie, da hat sie mit Genderproblematiken zu tun. Sie findet in diesem Buch viele Geschichten, nicht sexistisch, aber falsch aufgelegt. Meine Lieblingsgeschichte über die Serviettchen, die nur im Schrank liegen und nicht benutzt werden, findet sie blöd, weil meine Frau nur darauf reduziert wird. Darüber streiten wir ständig in der Familie, obwohl ich ja vollkommen den Kampf für gleiche Rechte unterstütze.

Sie schreiben sehr liebevoll, jedoch auch unterhaltsam über ihre Frau und die Familie – wurde Ihnen das jemals übelgenommen?

Ich habe inzwischen über alle Familienmitglieder geschrieben. Ich glaube, dass sie das als Bereicherung sehen. Sie sind Menschen, aber auch gleichzeitig ein Stück Literatur geworden. Selbst wenn sie mit mir schimpfen, glaube ich, dass sie heimlich stolz darauf sind, als literarische Figuren zu wirken.

Auf unserem Blog haben wir die Kategorie: »Fünf Fragen für: …«. Ich möchte auch Ihnen die Fragen im Schnelldurchlauf stellen.

Welches Buch haben Sie bis heute nicht zu Ende gelesen?

© Verlagsgruppe Random House

(Überlegt) »Der Zauberberg«.

Wo und wann lesen Sie am liebsten?

Das ist immer so ein Wunschdenken. Ich stelle mir einen besonderen Ort vor, an dem ich mich mit einem Buch für ein paar Stunden hinsetzen und alles vergessen kann. Im Urlaub oder auf langen Zugfahrten zum Beispiel. Aber in Wahrheit habe ich dann immer tausend andere Beschäftigungen, ich schreibe selbst, oder denke nach, beobachte das Leben um mich herum. Man hat heutzutage leider viel zu wenig Zeit zum Lesen.

Welches Buch aus Ihrer Kindheit ist Ihnen in Erinnerung geblieben?

Mein Lieblingsmärchen ist »Der gestiefelte Kater«. Obwohl das natürlich Tierquälerei ist, man darf keine Katzen in dicke Stiefel stecken. Aber er ist mir als Erzähler in Erinnerung geblieben, ich nehme mir quasi ein Beispiel an ihm, ich erzähle auch überall Geschichten wo ich bin.

Welches Buch würden Sie an gute Freunde verschenken?

Es vergeht keine Woche, in der ich mich nicht für ein neues Buch begeistere. Allerdings… »Das glücklichste Volk«, das ist ein tolles Buch.

Wo und wann kann man Ihnen auf der Buchmesse über den Weg laufen?

Auf einer Buchmesse suche ich mir natürlich immer eine Bar. Was soll man da sonst tun? Ich glaube grundsätzlich ist die Bar zurzeit der angenehmste Ort auf der ganzen Welt.

Gibt es schon Pläne für ein neues Buch?

Ja, ich schreibe ein Buch über Kreuzfahrten, »Die Kreuzfahrer«. Es ist eine sehr rührende Geschichte, über eine Mischung aus Schweinerei und Empathie. In einer beinahe zugrunde gerichteten Welt reisen die Leute umher, haben großes Mitleid der Welt gegenüber und feiern jede Nacht Partys. Das wird das beste Buch, was ich je geschrieben habe.

Beitragsbild: Wladimir Kaminer. © Theresa Bruch


Die Veranstaltung: Wladimir Kaminer liest aus Einige Dinge, die ich über meine Frau weiß, Steintor-Varieté Halle/Saale, 27.1.2018, 20 Uhr

Das Buch: Wladimir Kaminer: Einige Dinge, die ich über meine Frau weiß. Wilhelm Goldmann, München 2017, 188 Seiten, 20 Euro, E-Book 14,99 Euro


 

 

Die Rezensentin: Theresa Bruch