»Ich dachte mir die Welt wie Europa«

Ein Gespräch zu dem Buch »Einsame Weltreise« der wiederentdeckten Autorin Alma M. Karlin auf der Leipziger Buchmesse.

Plötzlich schallen vom benachbarten Stand Trommeln herüber. Kurz stocken die drei Frauen auf der Bühne, gucken sich irritiert an, lachen und beginnen auf dem Sofa sitzend ein wenig im Takt mitzuschaukeln. Diese Auflockerung kommt dem bisher beschaulichen Gespräch zu dem Buch »Einsame Weltreise« von der Slowenin Alma M. Karlin zugute. Doch zur falschen Zeit, denn gerade setzt die Verlegerin Britta Jürgs zum Vorlesen an. Zwar muss sie wegen der Geräuschkulisse ihre Stimme stark anheben, aber trotzdem ist es schön, ihr zu lauschen.

© Leonie Beer

Die gelesene Passage hat es in sich. Sie schildert, wie die Alma M. Karlin auf ihrer Reise nach Japan gelangt. Mit ihrer bildhaften Sprache gelingt es sofort, sich alles innerlich vorzustellen. Selbstironisch schildert sie, wie ein Japaner fragt, ob sie eine Frau oder ein Mann sei. Es macht Spaß, der Geschichte zu folgen und doch fällt die hochgestochene Sprache auch unangenehm auf. Schwierige Satzkonstruktionen, veraltete Ausdrucksweisen und teilweise schwer nachvollziehbare Beschreibungen. Man merkt der Geschichte an, dass sie vor etwa 100 Jahren geschrieben wurde.

Denn die Autorin, die ihre eigene Reise in diesem Roman schilderte, lebte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und ist dementsprechend nicht bei dieser Lesung dabei. Stattdessen unterhält sich die Moderatorin Doris Akrap mit der Herausgeberin Jerneja Jezernik und der Verlegerin Britta Jürgs.

Vor allem die Herausgeberin erzählt dem Publikum ausführlich von Alma M. Karlin und ihrem Buch. Die Autorin beschloss mit 30 Jahren eine Weltreise anzutreten, die neun Jahre dauern würde. Und das ganz allein. Sie nahm nur das Nötigste mit, darunter ihre Schreibmaschine Erika und ein Wörterbuch für zehn Sprachen. Aus einfachen Verhältnissen stammend, musste sie ihre Reise unterwegs finanzieren, was immer wieder kompliziert wurde. Besonders in Südamerika machte sie schlechte Erfahrungen, sie wurde ausgeraubt und es gab mehrere Versuche, sie zu vergewaltigen. Doch betont sie die Hilfsbereitschaft der Frauen vor Ort.

© Leonie Beer

Ihre ganze Erzählung ist geprägt von einem eurozentristischen Blick. So bezeichnet sie Schwarze als Neger und betont extra, wie nett diese seien. Sie bemüht sich zwar sichtlich um Aufgeschlossenheit und Vorurteilsfreiheit, doch hinterlässt es für Leserinnen und Leser heutzutage einen komischen Beigeschmack. Nun ja, sie war eben auch nur ein Kind ihrer Zeit.

Nach ihrer Reise wird der Roman zu einem Bestseller. Sie wird zu einer der meistgelesenen Weltreisenden der Zeit. Doch dann gerät das Buch durch die Nationalsozialisten und die Sowjetunion in Vergessenheit. Erst mit der Unabhängigkeit Sloweniens rückt sie wieder in den Vordergrund. Unter anderem durch Jerneja Jezernik, denn sie hat das Manuskript der Autobiografie in der slowenischen Nationalbibliothek gefunden und dieses per Hand abgetippt. So konnte es zu der Veröffentlichung kommen.

Obwohl es in Slowenien auch Stimmen gibt, die meinen, dass es sich nicht um slowenische Literatur handelt, weil Alma zur deutschen Minderheit gehörte und auf Deutsch geschrieben hat, wird sie zurzeit zu einem Star. Es gibt Veröffentlichungen, Ausstellungen und seit diesem Jahr sogar eine Briefmarke mit ihrem Motiv.

Nur in Deutschland ist der Trend noch nicht angekommen. Aber dabei können nun die Veröffentlichungen von »Einsame Weltreise« und ihrer Autobiografie »Ein Mensch wird« beitragen. Denn auch wenn das Lesen teilweise schwerfällt und ihre Ansichten kolonial geprägt sind, ist es doch ein Buch über viel Mut und Offenheit zu einer Zeit, als es für Frauen schwierig war, allein ihren Weg zu gehen.

Beitragsbild: Gespräch zu Einsame Weltreise, Doris Akrap (links), Jerneja Jezernik (Mitte) und Britta Jürgs (rechts). © Leonie Beer


Die Veranstaltung: Jerneja Jezernik und Britta Jürgs im Gespräch zu Einsame Weltreise, Moderation: Doris Akrap, Stand der taz auf der Leipziger Buchmesse, 23.3.2019, 14.45 Uhr


Das Buch: Alma M. Karlin: Einsame Weltreise. AvivA, Berlin 2019, 400 Seiten, 22 Euro


 

 

 

Die Rezensentin: Leonie Beer