I will tell you something …

Der irische Dichter Matthew Sweeney erzählt im Leipziger Haus des Buches Geschichten von Hunden, Glasschafen und seiner Tochter.

Matthew Sweeney. © Neil Astley

Matthew Sweeney erzählt Geschichten. In seinen Gedichten, vor seinen Gedichten, manchmal unterbricht er sich sogar selbst mitten in einer Gedichtzeile, um eine seiner verschmitzten Anekdoten zu erzählen. In seinem irisch gefärbten Englisch und teilweise auf Deutsch berichtet der Dichter zum Beispiel von seiner Tochter, die ihm gesagt habe: »Dad, your poems are like little films.«

Und wie kleine Filme sind Sweeneys Gedichte wirklich. Im titelgebenden Gedicht seines Bandes »Hund und Mond«, den er an diesem Freitagabend im Haus des Buches vorstellt, versucht ein Hund den Mond zu beißen und versteigt sich zu immer wilderen Kapriolen. Der Hund »fiel in einen Fluss, in dem / das Spiegelbild des Mondes tanzte. / Auch dieses ließ sich nicht beißen.« Tiere haben es Sweeney ohnehin angetan: Durch das Gedicht »Eine Geschichte der Glasbläserei« zieht »eine Herde gläserner / Schafe, jedes von ihnen komplett mit Wolle / und leisem Klingelblöken«.

Solche surrealen, humorvollen Beobachtungen machen Sweeneys Gedichte schon auf dem Papier zu einem hintergründigen Vergnügen. Gelesen von Sweeney und seinem Übersetzer Jan Wagner, steigert sich die Freude beim Publikum noch, das die Texte mit Lachen oder genießerischem »Hmmm« goutiert.

© Hanser

Amüsant ist dabei nicht nur Sweeneys Lyrik, sondern auch das Zusammenspiel des Dichters mit seinem Übersetzer Jan Wagner. Nach dem zweiten gemeinsam übersetzten Gedichtband und mehreren Lesungen in den letzten Tagen sind die beiden ein eingespieltes Team – bei allem Kontrast: Hier der 65-jährige Sweeney mit halblangem grauen Haar und Bart, dessen schlingernden Konsonanten man auch im Deutschen das Irische anhört, dort der 46-jährige Wagner, akkurat frisiert, im Jackett, beinahe überdeutlich artikulierend. Beide verbindet aber die offensichtliche Liebe zum Spiel mit Sprache und Gedichtformen wie dem Haiku, das, wie Wagner verrät, wegen seiner strengen Form besonders schwer zu übersetzen sei.

Dieses freundschaftliche Verhältnis ermöglicht auch das Gespräch über ernstere Themen. Eine Reihe von Haikus hat Sweeney über den Tod seines Vaters geschrieben, eine Villanelle über seine ebenfalls verstorbene Schwester. In beiden Fällen habe er die genauen Vorgaben der traditionellen Gedichtformen gebraucht, um nicht sentimental zu werden, erzählt er – kann sich aber auch diebisch über die gelungene Übersetzung dieser Gedichte ins Deutsche freuen.

Dank dieser spitzbübischen Gewitztheit, die in allen Gedichten an diesem Abend zu spüren war, verlässt das Publikum die Lesung beschwingt. Gerne hätte man sich noch mehr Geschichten erzählen lassen, in Gedichtform oder als Anekdote – eingeleitet mit verschwörerischem Blick ins Publikum und einem vertraulichen »I will tell you something …«

Beitragsbild: Matthew Sweeney (rechts) erzählt eine Geschichte, Jan Wagner (links) macht sich Notizen. © Ansgar Riedißer


Die Veranstaltung: »Hund und Mond«: Matthew Sweeney in Lesung und Gespräch mit Jan Wagner, Haus des Buches, Literaturcafé, 24.11.2017, 19.30 Uhr

Das Buch: Matthew Sweeney: Hund und Mond. Hanser, Berlin 2017, 139 Seiten, 18,50 Euro


 

 

Der Rezensent: Ansgar Riedißer