Bernd Wagner, Nachkomme des Komponisten Richard Wagner, liest in der Buchhandlung Südvorstadt aus seinem Roman »Die Sintflut in Sachsen«.

Die kleine und gemütliche Buchhandlung wurde kurzerhand umfunktioniert und bietet nun genug Raum für Publikum und den Vorlesenden. Bernd Wagner betritt den Raum ganz leise und unscheinbar und setzt sich auf den Bürostuhl am Kopf des Raumes. Ungefähr 20 Zuhörer sitzen im Publikum und warten interessiert auf den Beginn der Lesung. Nach einer kurzen Vorstellung des Autors durch einen Mitarbeiter seines Verlags ergreift Wagner selbst das Wort: »Also ich werde jetzt ein bisschen aus meinem Roman vorlesen. Angesetzt sind 45 Minuten aber ich sehe Ihren Gesichtern ja an, wenn es genug ist und ich aufhören sollte.«

Und so beginnt der ehemalige Lehrer, den Anfang des Buches vorzulesen – zwei ganze Kapitel. Anhand der ruhigen und doch bestimmten Geräuschkulisse erkennt man, wer mit den Straßen Wurzens vertraut ist und den imaginären Weg des Protagonisten Max Wagners durch seine Heimatstadt nachverfolgen kann. Da das Buch aus zwei großen Teilen besteht und man verstehen muss, dass ein Wechsel zwischen Erzählungen der Vergangenheit und denen der Gegenwart stattfindet, liest Wagner anschließend eine Geschichte des jungen Max‘ Wagners vor, der in einer Schmiede aufgewachsen ist und sowohl den Mauerbau als auch deren Fall miterlebt hat. Je länger man zuhört, desto besser kann man sich in die Situation einfinden – trotz der großen Anzahl an Charakteren, Orts- und Straßennamen. Die ruhige und angenehme Stimme des Nachkommen Richard Wagners wäre auch für ein Hörbuch sicherlich gut geeignet. Man hat das Gefühl, sich selbst in den 50er Jahren in dem kleinen Ort zu befinden und selbst dabei zuzusehen, wie Schweine geschlachtet, Fußball gespielt oder Dächer von den Kindern des Örtchens erklommen werden. Schließt man die Augen, sieht man die Schmiede und die weiten Felder vor sich, die einst von dem kleinen Jungen aus der Geschichte gesehen worden.
Im zweiten Teil des Buches wendet sich das Blatt, als die Mutter des Protagonisten stirbt und das Hochwasser 2002 nach Deutschland, und so auch nach Wurzen, kommt und der nun Erwachsene zurück in seine Heimat fährt. Aufgrund dieser Naturkatastrophe wählte Bernd Wagner für die Sammlung seiner Erzählungen den Namen »Die Sintflut in Sachsen«. Doch es ist viel mehr als nur eine lose Aneinanderreihung von Geschichten – es ist eine Autobiografie. Bernd Wagner hört nämlich auch auf seinen Zweitnamen: Max. Auf die Nachfrage, ob irgendetwas aus dem Buch dazu gedichtet wurde oder ob dies wirklich alles so passiert sei, antwortet der Autor nur trocken: »Glauben ‘se mir, sowas kann sich ja nu wirklich keiner ausdenken.« Er gibt noch einige Autogramme und plaudert fröhlich mit den Gästen.
Für jeden, der in Wurzen aufgewachsen ist oder dort wohnt, ist der Roman ein Muss. Für andere, die nicht dort wohnen, ist es ein schön zu lesender Roman, in dessen Geschichte, Charaktere und Orte man sich erst einfinden muss. Aber wenn man das geschafft hat, ist jede Seite ein Genuss.
Beitragsbild: Bernd Wagner vor der Lesung. © Swenja Brauer
Die Veranstaltung: Bernd Wagner liest aus Die Sintflut in Sachsen, Moderation: Patrick Hutsch, Buchhandlung Südvorstadt, 15.3.2018, 20 Uhr
Das Buch: Bernd Wagner: Die Sintflut in Sachsen. Schöffling & Co., Frankfurt/M. 2018, 432 Seiten, 24 Euro, E-Book 19,99 Euro
Die Rezensentin: Swenja Brauer