Torge Löding stellt die deutschsprachige Übersetzung des Fotobandes »Der Kreis – Aufzeichnungen einer Migration« vor.
Drei Personen, die zum Veranstalter gehören und zwei Personen mit Presseausweis – das Publikum. Unbeirrt von der Tatsache, dass nur fünf Personen im Publikum sitzen, beginnt Torge Löding seine Lesung. Die Stimme des Politologen erhebt sich über den Messelärm und übernimmt die Gegenwart. »Der Kreis« ist eine Dokumentation der Migration von Mexiko, durch Mexiko und nach Mexiko. Der aus Guatemala stammende Fotograf, Aktivist, Journalist und Autor Ricardo Ramirez Arriola hat das Buch 2014 veröffentlicht. Die Erstauflage erschien auf Spanisch in Zusammenarbeit mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Er versucht mit diesem Fotoband den Migranten ein Gesicht zu geben und mit Fakten gekonnt zu informieren.

Mit einem Appell für mehr Nächstenliebe, Spiritualität von unten und Sensibilisierung an den Zuhörer steigt Torge Löding in seine Lesung ein. Was hier thematisiert wird, sollte von einem viel größeren Publikum gehört werden, als es gerade der Fall ist. Es ist nicht weit von der momentanen europäischen Realität entfernt und der Fotoband hat keinesfalls den Anspruch, nur national zu wirken. Die Botschaft ist international und auf jedes Land weltweit anwendbar.
»Gehen wir oder bleiben wir? Riskier ich es? Gehen wir weiter? Folge ich dir? Rückkehr? Heute, genau in diesem Moment und abseits dieser Zeilen stellen sich hunderte von Männern und Frauen, Jugendlichen, Mädchen und Jungen im Regen, in den Nächten, in der Kälte und inmitten ihrer Ängste und Hoffnungen, die sie auf ihrem Weg begleiten, diese und viele andere Fragen.« Aggressionen, Gefahren und die Wut auf die Regierung werden komplex dargestellt. Durch die Ergänzung mit Zahlen und Fakten wird versucht, dem Leser realitätsnah den Alltag von Migranten näherzubringen.
Das Zitat des Autors »Gehen wir oder bleiben wir?« beschreibt in diesem Moment sehr gut das Verhalten der Vorbeigehenden. »Riskier ich es?«, ist ihnen ins Gesicht geschrieben. »Gehen wir weiter«, endet statt mit Fragezeichen mit Ausrufezeichen. In der Fragerunde kommen angesichts der Zuhörerzahl, die sich dann doch noch um eine Person erweitert hat, hauptsächlich Fragen des Moderators Henning Heine.
Angesichts des jetzt folgenden Teils ist die Zuschauerquote doch nicht so schlecht. Denn der Appell, der jetzt kommt, geht vor allem an die zwei Personen mit Presseausweis. Es ist ein Appell, die Plätze der Migranten zu besetzen, für sie freizuhalten. Bei Foren, Treffen, Debatten, Präsentationen und Filmvorführungen die Stimme für sie nutzen. Die Migranten sind ständig anwesend, aber zugleich abwesend. Durch ein Leben als illegale Einwohner, Durchreisende oder Statuslose haben sie keine Chance, sich eine Stimme zu verschaffen. Es sei die Aufgabe derer, die eine Stimme haben, diese zu nutzen und sie den Migranten zu geben. »Die Zeugnisse der Migration sind gewaltig, ihre Stimme kaum vernehmbar.« Eine Zusammenfassung des Terrors, der für so viele Menschen die Realität ist und von sehr viel mehr Menschen gehört und gelesen werden sollte.
Am Ende nimmt jeder Zuhörer nicht nur sein kostenloses Exemplar von »Der Kreis – Aufzeichnungen einer Migration« mit, sondern auch einen Perspektivwechsel, gekoppelt an viele neue Impressionen. Dann tauchen sie wieder in den Messelärm ein.
Beitragsbild: Torge Löding (links) im Gespräch mit dem Moderator Henning Heine. © Friederike Graupner
Die Veranstaltung: Torge Löding liest aus Der Kreis – Aufzeichnungen einer Migration, Moderation: Henning Heine, Die Bühne, Buchmesse Halle 5, 15.3.2018, 17 Uhr
Das Buch: Ricardo Ramírez Arriola: Der Kreis – Aufzeichnungen einer Migration. Athena Verlag, Dortmund 2017, 152 Seiten, 25 Euro
Die Rezensentin: Friederike Graupner