Signe Ibbeken liest auf der Buchmesse aus ihrem Prosa-Debüt »auf einer lichtung steht ein tiefgefrorenes reh«.

Es ist Samstag, und durch die labyrinthartigen Gänge der Buchmesse schiebt sich ein stetiger Strom lesebegeisterter Menschen jeden Alters. Passend zum Titel des Buches, bin auch ich heute ein wenig tiefgefroren, der Frühling muss einem späten Wintereinbruch weichen, denn alleine heute gibt es zehn Zentimeter Neuschnee und eine klirrende Kälte macht sich über der Stadt breit. Am Ort der Lesung angekommen, stellt sich heraus, dass diese direkt am kleinen Stand des PalmArtPress Verlages stattfindet. Als Signe Ibbeken anfängt zu lesen, bildet sich eine kleine Menschentraube und lauscht gespannt ihren Worten. Die Autorin steht vor dem aufgebauten Büchertisch, ihr mit Post-Its gespicktes Werk in der Hand, und trägt mit langen szenischen Pausen zwischen den Wörtern einige Passagen vor. Der Text besticht vor allem dadurch, dass er kurzweilig ist und doch Tiefe besitzt.
Im Buch werden kleine Erzählungen aus dem Alltag behandelt, so wie sie jedem Menschen passieren könnten, naja, zumindest beim Tagträumen. Denn alltäglich ist das, was in ihnen passiert, wirklich nicht. Wie wäre es zum Beispiel, das Parkett aus der Altbauwohnung herauszureißen, den Boden mit Erde und Rasen zu bestücken, die Fenster aufzusperren und im Liegestuhl in der Sonne zu entspannen? Oder was wäre, wenn plötzlich alles auf der Welt mit Fell bewachsen wäre, und wie würde eine mit Fell bedeckte Sonne überhaupt aussehen? Signe Ibbeken schafft es, diese träumerischen Gedankengänge mit eindrücklicher Stimme direkt als Bilder in den Kopf zu projizieren.
Eine Geschichte handelt davon, dass ein Fahrgast in einem Zug scheinbar mithilfe seiner Kopfhörer einer Art Musik lauscht, doch bei genauerem Hinhören stellt sich die Musik als schlichtes Hundegebell heraus. Absurde Anekdoten, die zum Schmunzeln und Tagträumen anregen. Ibbekens Sprache ist allgemein sehr poetisch, aber auch gleichzeitig charmant und amüsant. So spricht sie zum Beispiel von »Farben, so frisch und intensiv wie tiefgefrorenes Gemüse«. Gerne hätte ich noch mehr gehört, aber nach 20 Minuten ist die Lesung auch schon wieder zu Ende. Was bleibt ist die Frage: Habe ich das jetzt wirklich erlebt oder war das alles nur ein schöner Tagtraum, hier inmitten des angestrengten Gewusels der Leipziger Buchmesse?
Beitragsbild: Signe Ibbeken © Céline Krost
Die Veranstaltung: Signe Ibbeken liest aus auf einer lichtung steht ein tiefgefrorenes Reh, Leipziger Buchmesse 17.3.2018, 17 Uhr
Das Buch: Signe Ibbeken: auf einer lichtung steht ein tiefgefrorenes reh. PalmArtPress, Berlin 2018, 160 Seiten, 20 Euro
Die Rezensentin: Anna Sophia Wurm