»Fast alle Künstler sind Esel ohne Erziehung!«

Clara Schumann – Sie machte nicht nur als geniale Pianistin, sondern auch als Komponistin rasch von sich reden. Reisen durch Europa zementierten ihren Ruhm. Anlässlich ihres 200. Geburtstages, der sich 2019 jährt, stellt Beatrix Borchard, eine der führenden Clara-Schumann-Forscherinnen, ihren neuesten Titel vor. Musikalisch umrahmt wird der Abend von Gudrun Franke (Klavier), Sonja Maria Westermann (Sopran) und Leo Silberski (Klavier).

Prof. Dr. Beatrix Borchard © Dominik Dungel

Einen neuen Blick auf das familiäre, künstlerische und soziale Leben, das sich Clara Schumann im Laufe ihrer Karriere aufgebaut hat, erlaubt bisher unbekanntes Quellenmaterial. Aus diesem neuen Wissen, das mithilfe der Schumann-Briefausgabe erschlossen wurde, erwachsen neue Konsequenzen für die Darstellung der genialen Musikerin. Beatrix Borchard, ein Emblem des Wissenschaftlertopos, stellte ihren geplanten Titel »Clara Schumann. Neue Quellen – Andere Schreibweisen« vor und las aus ihrem unveröffentlichten Manuskript.

© Georg Olms Verlag

Bereits um 17:30 Uhr waren alle Plätze im Musiksalon des Schumann-Hauses vergeben. Analog zum dezent-edlen Interieur des Veranstaltungsortes zeigte sich das Publikum, bestehend aus Fachwelt, Interessierten und Liebhabern. Trotz martervoller Enge aufgrund der unüberlegten Bestuhlung des Raumes, herrschte schon vor Beginn eine angenehme und anregende Atmosphäre der »ersprießlich-intellektuellen Konversation«. Die vielen Gerüche fusionierten zu einem einzigen Odeur der Noblesse. Noch kurz vor Beginn, die Mikrofonanlage aufbauend, forcierte der Geschäftsführer des Schumann-Hauses, Gregor Nowak, die Spannung auf das Programm und antizipierte mit einem charmanten »In drei Minuten begrüße ich Sie« den eigentlichen Einstieg in den Abend. Gudrun Franke eröffnete daraufhin mit ihren pianistischen Wohlklängen die Lesung von Beatrix Borchard. Der Klang des Flügels erfüllte den ganzen Raum und verzieh die unangenehm steigende Temperatur sowie die eingeschränkte Bewegungsfreiheit.

Besonders wichtig war Borchard die Frage nach Positionierung einer Musikerin in der Öffentlichkeit des 19. Jahrhunderts, wo Frauen keine eigene Stimme zugebilligt wurde. Der Fokus läge außerdem auf Schumanns »drittem Leben« nach dem Tod ihres Mannes Robert Schumann. »Es nervt mich, dass es in der Buchmesse immer nur um Brahms geht«, fügte die Autorin in ihrer Rede ganz beiläufig an. Kritisch thematisierte Borchard auch den Künstlertopos zur Zeit Schumanns: »Fast alle Künstler sind Esel ohne Erziehung!«, zitierte sie provokant, aber zum Pläsier des Publikums, aus ihrem Manuskript. Zuerst sei man immer ein Mensch im ethischen Sinne. Im Hinblick auf kleine Unannehmlichkeiten und einigen technischen Fauxpas verlieh Beatrix Borchard dem Abend mit ihrer Authentizität und Contenance ein adäquates Maß an Esprit.

Beitragsbild: Prof. Dr. Beatrix Borchard (links) © Dominik Dungel


Die Veranstaltung: Beatrix Borchard: Clara Schumann. Neue Quellen – Andere Schreibweisen, Lesung mit Musik, Moderation: Doris Wendt, Schumann-Haus, 23.3.2019, 18 Uhr


Das Buch: Beatrix Borchard: Clara Schumann. Neue Quellen – Andere Schreibweisen, Georg Olms Verlag, Hildesheim 2019, 300 Seiten, 24,80 Euro


 

 

Der Rezensent: Dominik Dungel