»Es ist gut, nicht ganz dazuzugehören«

Bernhard Schlink hat mit »Olga« erneut eine dieser Geschichten eingefangen, die einfach irgendwie und irgendwann passieren, um sie nun, während des Lesefestivals »Leipzig liest«, zu präsentieren.

© Diogenes Verlag

So voll haben sie es schon lange nicht mehr gehabt, wird angemerkt, während auch zum letzten freien Platz des Lesesaals geklettert wird. Es scheint, als gäbe es keinen besseren Ort, Bernhard Schlinks neuesten Roman, »Olga«, vorzustellen. Die historische Bibliotheka Albertina lässt Gerechtigkeit und Literatur, Jurist und Schriftsteller, in Verbindung treten. Und auch in dessen Büchern werden sowohl Moralfragen, Proportionalitäten der Geschichte als auch Verstrickungen Einzelner in das Handeln Vieler in literarische Form gebracht. So beschreibt »Olga« die Vergangenheit einer starken Frau, die nach mehr strebt, als Geschichte und Liebe ihr geben wollen.

Als Moderatorin Shelly Kupferberg und Autor Bernhard Schlink Platz nehmen, erhebt sich Applaus im Saal. Es wird von Rechtssinn in langweiligen Gerichtsgebäuden, aber auch von Gerechtigkeitsfragen in Romanen gesprochen. Die »zwei Seiten einer Medaille«, wie es Kupferberg so schön nennt. Hat es mit schlechten Gedichten und Stücken, die nicht aufgeführt zu werden lohnen, angefangen, sei es nun ein Spiel der Elemente, das Bernhard Schlink zu seinen Romanen kommen lässt. Bereits sein Welterfolg »Der Vorleser«, verfilmt und in 50 Sprachen übersetzt, handelt von den Brüchen der Generationen und der Frage nach dem Grad an Solidarität.

Nachdem Bernhard Schlink schon einige Passagen mit einer angenehm rauen Stimme vorgelesen hat, kann sich der Zuhörer ein Bild von Olga und Herbert machen, den Hauptfiguren des Romans. Hierbei symbolisiert Herbert, ein leidenschaftlicher Läufer, die gewaltige Selbstüberschätzung der Deutschen seit der Kolonialpolitik Bismarcks. Herbert startet seinen Lebenswettlauf und macht es seiner Liebe schwer, die Sehnsucht nach der »Weite ohne Ende« zahlreicher Expeditionen zu verstehen. Schließlich scheint Olga nicht mehr als eine Aussparung in Herberts Leben zu sein und verliert ihn letztendlich an seine Naivität. Doch auch viele Jahre nach der Trennung hält Olga mit Briefen an Herbert fest.

Bernhard Schlink. © Alberto Venzago / Diogenes Verlag

Dass nun die Protagonistin namensgebend für ihre Geschichte war, ist den Einflüssen anregender Frauen in Schlinks Leben zu verdanken, wie seiner Mutter und anderen dieser Generation. Wie auch Olga, haben manche unter ihren Fähigkeiten gelebt, dennoch im Denken ihrer Zeit überlegen. Bernhard Schlink, der heute in Berlin und New York lebt, beschreibt eine gewisse Distanzierung als Vorteil einer Person. »Vielleicht sitzt man zwischen Stühlen gar nicht so schlecht«, beendet der Autor seine Lesung.

Für ein Autogramm des Erfolgsautors eilt man drängelnd ans Rednerpult vor. Auch wenn die meisten »Olga« bis jetzt noch nicht kannten, stellt die Persönlichkeit Bernhard Schlink einen Anziehungspunkt für Eingelesene dar. Und eine Sache beschert Schlink seinen Lesern abermals: die genügsame Sprache mit beträchtlichem Gehalt.

Beitragsbild: Moderatorin Shelly Kupferberg (links) mit Autor Bernhard Schlink (rechts). © Sarah Herchenhahn


Die Veranstaltung: Bernhard Schlink liest aus Olga, Moderation: Shelly Kupferberg, Bibliotheka Albertina, Lesesaal West, 15.3.2018, 19 Uhr

Das Buch: Bernhard Schlink: Olga. Diogenes Verlag, Zürich 2018, 320 Seiten, 24 Euro, E-Book 20,99 Euro


 

 

Die Rezensentin: Sarah Herchenhahn