eine stille, laute Welt

Im Gespräch mit Kais Harrabi erzählt die Autorin Hengameh Yaghoobifarah über politischen Aktivismus und ihre Schreibprozesse.

Während in der imposanten Handelsbörse die nächste Veranstaltung eingeleitet wird, freue ich mich von zuhause aus über die heutige Gästin im ARD-Forum. Hengameh Yaghoobifarahs Debütroman »Ministerium der Träume« erschien 2021 und handelt vom Zusammenhalt zweier Schwestern und dem Leben einer queeren Türsteherin.

Kais Harrabi leitet das Gespräch mit einigen Worten über die junge Autorin ein und verweist auf die bisherigen Höhepunkte ihrer Karriere, wie z.B. ihre Arbeit an der Anthologie »Eure Heimat ist unser Albtraum« sowie die journalistische Tätigkeit beim Missy Magazin. Nachfolgend werden rechte Anschlagserien thematisiert, da der Roman in Rückblenden eben diese aufgreift. Hengameh Yaghoobifarah legt dar, wie sie als Kind die rassistischen Terroranschläge in den 90er Jahren in Mölln und Lübeck wahrnahm und reflektiert die Attentate als Erwachsene. Ihre Worte sind von Klarheit und Präzision, die einnehmend sind. Es wird deutlich, dass ihr Einfühlungsvermögen und ihre eigenen Erfahrungen mit Rechtsradikalen die treibende Kraft für den Roman waren. Die migrantische Antifa-Arbeit in ländlichen, aber auch urbanen Gegenden wird aufgegriffen und deren Unterschiede elaboriert. Es besteht eine deutliche Verbindung zwischen real erfolgten Geschehnissen und Passagen aus dem Roman »Ministerium der Träume«, aus dem die Autorin daraufhin einige Seiten vorliest.

© Aufbau Verlage GmbH & Co. KG

Als Nas vom Tod ihrer Schwester Nushin erfährt, bricht für sie eine Welt zusammen. Gemeinsam überstanden sie die Migration nach Deutschland, viele Schicksalsschläge und auch die ungewollte Schwangerschaft Nushins. Nas nimmt nun die Nichte bei sich auf und versucht die Geschichte ihrer Schwester zu rekonstruieren.

Vorgelesen wird eine Rückblende, in der Nas und Nushin einen Jahrmarkt in Lübeck verlassen müssen, da Gefahr von rechten Schlägern droht. Hengameh Yaghoobifarah zeigt Parallelen zwischen dem Terror der 90er Jahre und dem der Gegenwart und berichtet von eigenen Begegnungen mit Rassisten in ihrer Heimatstadt Kiel. Ihr Blick ist fortwährend aufmerksam und sie begegnet den Fragen des Moderators zu gegenderter Sprache und linkem Aktivismus mit Kenntnis und Lebenserfahrung. Sie beschreibt, worin die Schwierigkeiten in der Fertigstellung eines Romans liegen und welche Unterschiede zur journalistischen Arbeit bestehen.

Ihren persönlichen Klang und Humor konnte sie sich trotz der bitterernsten Thematiken im »Ministerium der Träume« bewahren, was ihrem Erstlingswerk eine einzigartige Balance verleiht. Der Autorin gelingt gerade dadurch ein starker Debütroman, der mehr ist, als ein gelungener Auftakt. Denn auf die Frage, ob sie sich vorstellen könne eine Fortsetzung zu schreiben, antwortet Hengameh Yaghoobifarah mit einem leisen »vielleicht«.

Beitragsbild:  © ARD-Mediathek. Screenshot von © Klara Unger.


Die Veranstaltung: Gespräch mit Hengameh Yaghoobifarah im ARD-Forum in der Alten Handelsbörse, 29.05.2021, 15:30 Uhr.


Das Buch: Hengameh Yaghoobifarah: Ministerium der Träume. Berlin: Aufbau Verlage 2021, 384 Seiten, 22,00 Euro, E-Book 16,99 Euro.


     

 

Die Rezensentin: Klara Unger