Der Historiker Christian Hardinghaus stellt im Literaturforum seinen neuen Roman »Die Spionin der Charité« vor.
Zwischen angepriesenen Gratis-Abonnements, Kaffeepausen und dem allgemein geschäftigen Treiben in Halle 5 soll das etwas abgetrennte Literaturforum wohl ein klein wenig Intimität zwischen Autor und Zuhörern schaffen. Ich bin etwas früher dort und bekomme noch mit, wie der vorherige Autor um die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer kämpft. Christian Hardinghaus jedoch gelingt es – im Gegensatz zu seinem Vorredner – auch ohne Moderator, dafür aber mit Humor und einer entspannten und unaufgeregten Art, das Publikum zu unterhalten und dem eng gestrickten Zeitplan der Lesungen sowie der unruhigen Atmosphäre entgegenzuwirken.

Der Autor und einige abgehetzte Zuhörer kommen direkt von der Vorstellung seiner neuen Biografie von Ferdinand Sauerbruch, einem genauso angesehenen wie umstrittenen Chirurgen der Berliner Charité, über dessen Engagement im Widerstand während des Zweiten Weltkriegs bisher nur wenig bekannt war. Sauerbruch spielt auch in Hardinghaus‘ neuem Roman »Die Spionin der Charité« eine tragende Rolle.
Hardinghaus liest aus dem dritten Kapitel, in dem sich die Protagonistin Lily Kolbe gerade auf den Weg zu einem Vorstellungsgespräch bei ihrem zukünftigen Chef Sauerbruch in der Berliner Charité macht. Während ihrer Anstellung als seine Privatsekretärin gründet sie zusammen mit dem Chirurgen und weiteren Vertrauten den »Donnerstagsclub«, eine geheime Widerstandsgruppe, die unter anderem gegen das Euthanasieprogramm der Nazis agiert. Ihr späterer Ehemann Fritz Kolbe kann schließlich auch für den Widerstand gewonnen werden, nachdem Lily zunächst zur Informationsbeschaffung auf ihn, einen unscheinbaren aber wichtigen Mitarbeiter des Außenministeriums, angesetzt wurde. Seine nie gewürdigte Arbeit als Spion ist es auch, die Lily dreißig Jahre später dazu bewegt, mit der Geschichte des Donnerstagsclubs an die Öffentlichkeit zu gehen. Ob ihre Entscheidung, die Geheimnisse der Verschwörer mit einem Journalisten der New York Times aufzuarbeiten, die richtige war, ist jedoch ungewiss und stellt Lily auf eine erneute Probe.
Die Figur der Lily Kolbe basiert auf der realen Person Maria Fritsch, spätere Kolbe, die zwar der Widerstandsgruppe angehörte, über die jedoch wenig bekannt ist. Aus diesem Umstand heraus resultiere laut Christian Hardinghaus auch die Namensänderung, außerdem verweist er auf Parallelen zu der ARD-Erfolgsserie »Charité«, die mit denselben neu entdeckten Quellen arbeitet. Hardinghaus verrät bei der Lesung absichtlich nicht mehr über die weitere Arbeit der Spione und über das Schicksal der Lily Kolbe, »denn ich will ja, dass Sie das Buch auch noch lesen.«
Beitragsbild: Christian Hardinghaus während seiner Lesung. © Natalie Warremann
Die Veranstaltung: Christian Hardinghaus liest aus Die Spionin der Charité, Literaturforum Halle 5, Stand K600, 20.3.2019, 16.30 Uhr
Das Buch: Christian Hardinghaus: Die Spionin der Charité. Europa Verlag 2019, 240 Seiten, 20,00 Euro, E-Book 13,99 Euro
Die Rezensentin: Natalie Warremann