Eine philosophische Achterbahn der Gefühle

Thea Dorns neuster Roman »Trost« spricht allen, die an scheinbar endlosen Lockdowns verzweifeln, aus der Seele und gibt dabei Aussicht auf einen anderen Umgang mit der Corona-Pandemie.

© Penguin Verlag

Die 48-jährige Johanna verliert im Sommer 2020 ihre Mutter durch eine Corona-Infektion, nachdem diese die Reisewarnungen ignoriert, trotz wütender Pandemie in den Urlaub nach Italien fliegt und prompt erkrankt. Nachdem Johanna aufgrund des Infektionsrisikos der Abschied von ihrer sterbenskranken Mutter im Krankenhaus untersagt wird, ist Johannas Wut entfacht. Zum rechten Zeitpunkt erhält sie jedoch eine Postkarte ihres alten Freundes Max mit der Frage, wie es ihr gehe. Damit beginnt ein Postkarten- und Briefwechsel, währenddessen die anfangs vollkommen aufgelöste Johanna unseren Umgang mit der Corona-Pandemie immer stärker hinterfragt und sich auf die Suche nach Trost in solch einer trostlosen Zeit macht.

Der Roman vereint dabei auf spannende Art sowohl eine philosophische Herangehensweise als auch eine wunderbar belletristische Sprache. Die scheinbare Trostlosigkeit des Todes lässt Johanna nicht mehr los und so kämpft sich die Protagonistin, die wie Thea Dorn Philosophie studiert hat, auf der Suche nach einer Antwort – von Sokrates über Seneca bis hin zu Simone de Beauvoir – durch die Philosophie-Geschichte. Die Lesenden werden voll und ganz in das nervenaufreibende Auf und Ab eines philosophischen Diskurses hineingezogen: Immer wieder nähert sich Johanna einer Lösung, nur um im nächsten Moment einen Fehler in ihren Überlegungen zu entdecken und mit Max‘ Hilfe an einer anderen Stelle neu zu beginnen. Unterdessen wird nicht nur das Verhalten der Politik, sondern auch die Wirtschaft, Religion und unsere Medienwelt scharf kritisiert.

Thea Dorn © Maria Sturm

Durch den ständigen Zwist zwischen den rationalen Philosoph:innen und Johannas impulsiven Gefühlsausbrüchen lässt mich »Trost« mit einem zwiespältigen Gefühl zurück. Einerseits will ich jedes wütende Wort zur »alltäglichen Lebensverneinung aus dem Geist der absoluten Lebensbejahung« doppelt und dreifach unterstreichen, andererseits wirkt der ungeschönte Zorn hin und wieder zu rücksichtslos, auch wenn die Protagonistin stets zur Besonnenheit zurückkehrt. Dennoch spiegelt dieser Konflikt eine hochemotionale Kontroverse wider, welche Johanna vehement kritisiert: Den gesellschaftlichen Widerwillen, den Tod als einen Teil unseres Lebens zu akzeptieren, und stattdessen den Tod um jeden Preis verhindern zu wollen, selbst wenn dabei das eigentliche Leben zugrunde geht.

»Trost« ist allen zu empfehlen, die Bücher mit allerhand zum Nachdenken anregenden Passagen lieben und dabei nicht davor zurückschrecken, mit der einen oder anderen strittigen Meinung konfrontiert zu werden, denn dieses Buch ist vieles – aber politisch korrekt ist es nicht.

Beitragsbild: © Carmen Jenke


Das Buch: Thea Dorn: Trost. Briefe an Max. München: Penguin Verlag 2021. 176 S., 16,00 €.


 

 

Die Rezensentin: Carmen Jenke