Ein schläfriger Reigen

Karina Fenner liest aus Anna Herzigs neuem Roman »Sommernachtsreigen«.

Es ist nicht Anna Herzig, die an diesem Freitag auf der Leseinsel Junge Verlage aus ihrem neusten Roman »Sommernachtsreigen« lesen wird. »Die Grippe macht auch vor Wien nicht halt«, verkündet Karina Fenner, die frisch gebackene Mit-Geschäftsführerin des Verlags Voland & Quist. So wird sich die Autorin dort wohl auskurieren und Fenner an ihrer Stelle ein paar Auszüge lesen. Sie wolle dem Publikum das Buch keinesfalls vorenthalten.

Einige Auszüge vom Anfang des Romans sollen es sein. Schade, denn der interessante Teil beginnt erst danach. Im Grunde genommen sind die ersten Seiten eine Vorblende auf das, was nach der eigentlichen Geschichte folgt. Eine Scheidung, Ausspracheszenarien und die leise Vorahnung darauf, dass in der vorherigen Nacht einschneidende Ereignisse vorgefallen sein müssen. Davon erfahren die Zuhörer heute leider nichts. Fenner ist bemüht die impulsiven Gedankenströme und die schnell aufeinander folgenden Phrasen lebendig vorzutragen, doch den Wunsch, die Autorin selbst lesen zu hören, kann sie damit nicht befriedigen. Fragwürdig scheint auch, ob das größtenteils aus Teenagern bestehende Publikum, welches bei den Worten »Sex«, »Joint« und »Tinder« gekünstelt peinlich berührt die Köpfe nach links und rechts dreht, zum Buch passt. Dabei hat der Roman durchaus mehr zu bieten als eine manchmal zu vulgäre Sprache und verwirrende Aufzählungen von Begriffen, die alle das Gleiche meinen. So beispielsweise der schier endlos scheinende Fragenkatalog, den die Erzählerin Hannerl zu Beginn aufstellt. Dieser besteht aus willkürlichen Fragen, die das Leben betreffen und völlig strukturlos erscheinen. Die Wendungen im Beziehungsgeflecht der einzelnen Figuren sind vorhersehbar und das Motiv des Ehemanns, der dem Liebhaber seiner Frau begegnet, ist auch nicht neu. Erfrischend ist aber die Konsequenz, die aus dieser Begegnung folgt.

Herzigs Sprache ist vielseitig und dynamisch. Diese Dynamik fehlt der Lesung und somit gelingt es nicht, das Publikum mitzureißen und zuletzt wohl auch nicht vom Buch zu überzeugen. Ein Auszug aus der Mitte des Buches wäre packender gewesen und Zeit hätte Fenner gehabt. So endet die Lesung nach nüchternen zehn Minuten wirkungslos. Eine Frage wird mir bei einem anschließenden Gespräch mit Fenner noch beantwortet: Las ich doch stets ein wenig Arthur Schnitzlers »Reigen« zwischen den Zeilen in Herzigs Roman und dann war da noch der scheinbar so offensichtliche Verweis im Titel!? »Sommernachtsreigen« sollte tatsächlich zunächst ganz anders heißen. Der Verlag entschied sich für diesen Titel auf Grund der verflochtenen Konstrukte zwischen den einzelnen Figuren – logisch. Doch die gravierende Ähnlichkeit fiel erst im Nachhinein auf. Tatsächlich also ein Zufallstreffer und eine interessante Nebeninformation.

Fazit ist, dass eine einwandfreie Lesung ohne Autorin so wohl einfach nicht möglich ist. Trotzdem sollte man als Verlag auf solch eine Situation vorbereitet sein. Mit diesem zwar gut gemeinten, jedoch mangelhaft umgesetzten Versuch Herzigs Roman vorzustellen, hat sich der Verlag keinen großen Gefallen getan. »Sommernachtsreigen« hat sich wohl keiner der Anwesenden mit nach Hause genommen und nach dem Verlassen der Leseinsel wohl schon wieder vergessen. Bleibt Anna Herzig baldige Genesung zu wünschen, sodass sie wieder selbst lesen kann, was sie schreibt und vortragen kann, wie sie es meint.

Beitragsbild: Anna Herzig liest aus »Sommernachtsreigen.« © Maxi Rauschenbach


Die Veranstaltung: Anna Herzig liest aus »Sommernachtsreigen«, Leipziger Buchmesse Leseinsel Junge Verlage, 16.3.2018, 13.30 Uhr

Das Buch: Anna Herzig: Sommernachtsreigen. Voland & Quist. Dresden und Leipzig 2018, 176 Seiten, 18 Euro


 

 

Die Rezensentin: Maxi Rauschenbach

 


 

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