Thomas Fischermann liest in der Umweltbibliothek Leipzig aus seinem neuen Buch über bedrohte Völker in Amazonien.
»Madarejúwa hielt mich, glaube ich, für einen sehr schlechten Schüler, aber er gab sich wirklich Mühe mit mir.« Madarejúwa ist ein Angehöriger des Stammes der Tenharim, indigenen Einwohnern des Urwaldes in Brasilien. Mit 21 Jahren ist er bereits ein voll ausgebildeter Krieger und bestens mit dem Wald vertraut, sodass er dem weißen Journalisten Thomas Fischermann von den Häuptlingen als Führer zugeteilt wurde. Fischermanns Buch »Der letzte Herr des Waldes« ist gleichzeitig auch das des jungen Kriegers, denn es sind seine aufgezeichneten Worte, die darin zu lesen sind.
Dies alles erklärt der ZEIT-Journalist zunächst seinem Publikum in dem kleinen, gemütlichen Bücherzimmer der Leipziger Umweltbibliothek. »Eine traute Runde«, freut sich der neben ihm sitzende Lektor des Buches. Ein Mikrofon wäre hier fehl am Platz. Damit der Bericht aus Südamerika nicht zum endlosen Monolog verkommt, wird er als stetiges Gespräch zwischen Autor und Lektor inszeniert. Die beiden spielen einander routiniert die Bälle zu und flechten auch Publikumsfragen sofort mit ein.
Anhand der mitgebrachten Fotos illustriert Fischermann seine Reise, die er ursprünglich als Recherche über illegales Holzfällen für das ZEITmagazin unternommen hatte. Erst später ergab sich der Kontakt zu den Tenharim, die ein großes Dschungelreservat besitzen und sich ihre ursprüngliche Lebensweise trotz westlicher Einflüsse bewahren konnten. Tief beeindruckt vom naturverbundenen Leben dort, verbrachte der Autor anschließend auf eigene Faust viel Zeit in Amazonien. Langsam reifte die Idee vom Buch.
Eine Fülle von Geschichten und Alltagsanekdoten hat Fischermann parat, doch weder romantisiert, noch beschönigt er seine Erlebnisse. »Mit vergifteten Pfeilen werden die kleinen Schweinchen erst angeschossen, damit sie schreien und die großen Tiere anlocken, die dann erlegt werden können.« Das sei nichts für zarte Gemüter und Indianerromantiker, gibt er zu bedenken.
Die indigenen Völker und ihre Reservate würden allerdings massiv durch illegale Holzfäller und andere Wirtschaftsinteressen Brasiliens in ihrer Existenz bedroht. Deshalb sehe der Autor kaum noch eine wirkliche Perspektive für die junge Generation Madarejúwas, sich gegen die Vernichtung ihrer Heimat zu wehren. An dem Wald hinge ihr ganzer Lebenssinn, sein Verlust nähme ihnen auch ihren Daseinsgrund.
Fischermann ist überzeugt, dass er und wir alle sehr viel von Madarejúwa und seinem Volk lernen könnten. Er berichtet von einer großen Bereitschaft der Indigenen, ihre Erfahrungen mit uns zu teilen. Aus diesem Grund spricht im Buch der junge Krieger selbst, nicht der Journalist.
Autor und Lektor nutzen nun den letzten Teil des Abends, um den Bogen zu uns und unserem Lebensstil zu spannen, der im völligen Gegensatz zu dieser anderen Lebensweise steht. Und ohne jede Form des Moralisierens gelingt es Fischermann, das Interesse des Publikums für die bedrohten Menschen in ihrem einzigartigen Lebensraum zu wecken. Dies äußert sich in zahlreichen Fragen. Nach 90 Minuten gelangt das Gespräch zum Abschluss, das der Autor eloquent und anschaulich als Werbung für sich und sein Buch nutzen konnte.
Beitragsbild: Das Buch »Der letzte Herr des Waldes«. © Konrad Bunk
Die Veranstaltung: Abenteuerliche Expeditionen in den Amazonaswald, Umweltbibliothek Leipzig, 17.3.2018, 19 Uhr
Das Buch: Thomas Fischermann und Madareúwa Tenharim. Der letzte Herr des Waldes. C.H. Beck, München 2018, 205 Seiten, 19,95 Euro, E-Book 15,99 Euro
Der Rezensent: Konrad Bunk