Dirk Bernemann liest auf der Insel der Jungen Verlage auf der Leipziger Buchmesse aus seinem neuen Buch und anderen Texten.

Es ist halb elf am Vormittag und vor den Toren der Messe herrscht Schneechaos. Die Hälfte der Bahnen fällt aus, man ist gehetzt. Vereinzelt sieht man Aussteller verspätet zu ihren Ständen rennen. Doch Dirk Bernemann ist da und die Bänke vor ihm sind schon gut gefüllt.
Er setzt sich und beginnt mit seiner recht angenehmen Stimme zu erklären, dass ihm immer vorgeworfen werde, er schreibe über Freaks. Mit seiner ersten Geschichte möchte er nun beweisen, dass er nur über normale Menschen schreibe. Er sucht aus einem Ordner voller abgegriffener Blätter die heraus, von denen er lesen möchte. Er liest darüber, »einfach mal nicht an der Welt teilzunehmen« und »keinen Bock« darauf zu haben zu sterben. Dirk Bernemann sitzt leicht zusammengefallen auf seinem Stuhl und gestikuliert zur Untermalung des Gelesenen.
Blatt um Blatt landet auf dem Boden, neben seinem Stuhl und den abgegriffenen Schuhen. Das Publikum hängt an seinen Lippen. Vorbeigehende Menschen halten inne, um ihm zuzuhören. Der zweite Text wird aus seinem Buch gelesen. »Ich habe die Unschuld kotzen sehen 4« ist der neuste Teil von Bernemanns Reihe mit Textsammlungen – allesamt zu beschreiben als irgendwas zwischen Depression und Lebenslust. Der gelesene Beitrag handelt von Silvester und dem Betrunkensein, der Hoffnung, dass im neuen Jahr alles anders wird.

Wenn man Bernemann zuhört, hat man einerseits das Gefühl, er sei einer dieser Intellektuellen, die sich nur mit solchen Menschen, wie sie in seinen Texten vorkommen, umgeben wollen. Andererseits wirkt es auch, als sei er ganz unten und würde mit den geschilderten Gedanken versuchen, sich selbst zu helfen – und auf eine andere Art und Weise auch der Welt.
Als Drittes und Letztes liest Dirk Bernemann aus einem neuen Projekt. Über die Gedanken des Alltags und Einbrecher in seiner Wohnung. Der Blätterhaufen neben ihm wird größer. Zwischendurch gibt es noch einen Energy-Drink, weil er fertig vom gestrigen Abend sei. Als die Lesung zu Ende ist, schaut der Autor erleichtert hoch und lächelt. »Es war sehr angenehm«, beschreibt er die Lesung und bedankt sich beim Publikum auf den Bänken und in den Gängen. Die Zuhörer bedanken sich mit einem lauten Applaus. Es war auch angenehm, ihm zuzuhören und seine Worte gesprochen zu hören. Texte wie die Dirk Bernemanns lassen sich besser hören als lesen, aber trotz allem ist sein Buch eine Investition wert, für alle, die schöne Texte mit unschönen Worten lesen möchten.
Der Blätterstapel verschwindet und die Menge löst sich auf.
Beitragsbild: Dirk Bernemann und sein Blätterstapel. © Caroline Heysel
Die Veranstaltung: Dirk Bernemann liest »Ich hab die Unschuld kotzen sehen 4«, 17.3.2018, 10.30 Uhr
Das Buch: Dirk Bernemann: Ich hab die Unschuld kotzen sehen 4. Unsichtbar Verlag, Diedorf 2017, 240 Seiten, 14,95 Euro
Die Rezensentin: Caroline Heysel
Liebe Caroline Heysel, Sie haben die richtigen Worte für dieses Wort-Genie Dirk Bernemann gefunden, er hat jedes Wort verdient. Leider habe ich ihn bisher nur gelesen, noch nicht gehört.
Aber seine Ausdrucksstärke kommt auch gelesen bei mir an. Danke für Ihre gute Rezension.
Dirk Bernemann hat sie sich unbedingt verdient!
Edith Hornauer