Ein Halleluja auf den Rock’n’Roll

»Rock im Robert-Koch-Park«. Am letzten Tag im Juni lädt Autor Mark Daniel zu einer Open-Air-Lesung anlässlich seines kürzlich erschienenen Buches »Rock’n’Roll 4evermore«. Der Leipziger Musiker Tino Standhaft sorgt dabei mit seiner Live-Performance für das Rahmenprogramm. Das Zusammenspiel lässt einen Hauch von Rock’n’Roll-Nostalgie durch Grünau wehen.

Ich laufe durch die ungestörte Natur der Schlossparkanlage in Grünau und lausche der Ruhe und dem Vogelgezwitscher. Nach einer Weggabelung biege ich links ab und vernehme gedämpfte Musik. Hat die Lesung mit musikalischer Begleitung schon begonnen? Hoffentlich nicht, sie sollte doch erst in 15 Minuten beginnen. Ein großes Gebäude taucht zu meiner Rechten hinter dem grünen Dickicht auf. Ich bin beeindruckt, denn ein herrschaftliches Ambiente umgibt die 108 Jahre alte Villa, deren graue Fassade an einigen Stellen bereits abgebröckelt ist. Dennoch kann ich meinen Blick nicht abwenden und betrete die sauber gemähte Rasenfläche, die an die Rückseite des »Parkschlosses« – wie es heutzutage genannt wird – angrenzt. Vor den vier Säulen des Hintereingangs steht eine Bühne mit einigen Bierbänken davor. Ich setze mich und habe beste Sicht auf das dahinter aufragende Parkschloss und die umliegende Natur in Gestalt von mit Efeu bewachsenen Bäumen – eine beeindruckende Kulisse.

Autor und Rock’n’Roll-Fan Mark Daniel im stilechten Motörhead-T-Shirt. © Yvette Gieseke

Der Autor Mark Daniel und Musiker Tino Standhaft betreten die Bühne und die Veranstaltung beginnt mit Standhafts gefühlvoller Live-Version von Neil Youngs »My, My, Hey, Hey« mit Akustikgitarre und Mundharmonika. Danach ergreift Daniel das Wort und bedankt sich bei den knapp 20 Leuten, dass sie sich anstelle der zeitgleichen Großveranstaltung »Klassic airleben« im Rosenthal für seine Lesung entschieden haben. Ich schaue mich um und bemerke, dass ich den Altersdurchschnitt von 40+ senke, fühle mich aber zu keiner Zeit unwohl. In familiärer Atmosphäre liest Mark Daniel das erste Kapitel »Rainbow an der Loreley: Grand Schlamm oder: Der Fotograf tanzt«, in welchem er von dem ausschlaggebenden Erlebnis für dieses Buch berichtet. In seinem Werk mit dem passenden Untertitel »Irre Trips zu alten Helden« nehmen der Autor und sein Kumpel »Hümmi« als eingefleischte Rock’n’Roll-Fans die Leser mit auf eine deutschlandweite Reise zu besuchten Konzerten ihrer Jugendhelden. Mit viel Wortwitz und einer sehr leb- und bildhaften Sprache setzt der Autor mosaikmäßig eine Landkarte aus verschiedenen Episoden ihrer verrückten Konzerterlebnisse zusammen.

Nach dem ersten Kapitel und dem anschließenden Lied »The temple of the king« der britischen Band Rainbow liest Mark Daniel den Abschnitt namens »Spencer Davis Group im Vogtland: Crowdsurfing mit Rock’n’Rollator«. Seine Imitation des starken sächsischen Dialekts einer namenlosen Rockerin, die er auf dem Konzert kennenlernte, löst beim Publikum herzhaftes Lachen aus. Die nächste Live-Darbietung von »Keep on running« der Spencer Davis Group rundet das Kapitel perfekt ab und beschert Tino Standhaft mit seiner rauchigen Stimme anerkennenden Applaus. Die ausgewählten vorgetragenen Episoden kommen beim Publikum gut an, so manch einer erkennt sich in Daniels Schilderungen über illegales Parken auf Privatgrundstücken bei erfolgloser Parkplatzsuche wieder und nickt zustimmend. Als es um unkoordiniertes Fahrradfahren bei Dunkelheit nach übermäßigem Alkoholkonsum und anschließendem Unfall geht, wird hinter mir laut aufgelacht und nüchtern kommentiert: »Das ist echt der Klassiker – so geil«.

© Eulenspiegel Verlag

Der lauschige Abend schreitet voran und Musiker Tino Standhaft gibt seine Live-Version von »Hey Jude« von den Beatles zum Besten. Ich bekomme eine Gänsehaut. Als Mark Daniel das nächste Kapitel »Alice Cooper in der Oberpfalz: Früher war mehr Blut« ankündigt, bricht das Publikum in Gelächter aus. Der Titel klingt zu grotesk als das er wahr sein könnte, doch der Autor erklärt mit einem Grinsen im Gesicht, dass 97 Prozent der Handlung wirklich so passiert seien und er nur hier und da etwas gefeilt habe. Auch das darin vorkommende Gespräch zwischen einem englischsprachigen Fan und einer Frau aus Köthen, die Sachsen-Anhalt mit »Saxony-Stop« übersetzt, habe sich tatsächlich so zugetragen.

Zuletzt liest Mark Daniel eine Episode seiner Reise vor, die sich erst nach der Veröffentlichung des Buches ereignet hat. Sie trägt den Titel »Ich wäre so gern Mark Zuckerberg« und handelt vom »Rock Hard Festival« in Gelsenkirchen, von dem der Autor ein kleines Trauma erlitten hat. Das heutige Publikum habe ihn davon befreit, da wir alle im Gegensatz zu den Gelsenkirchenern so aufmerksam zugehört und Spaß gehabt hätten. Alle nicken und applaudieren.

Beitragsbild: Open-Air-Lesung mit Autor Mark Daniel (links) und musikalischer Begleitung von Musiker Tino Standhaft. © Yvette Gieseke


Die Veranstaltung: Mark Daniel liest aus »Rock’n’Roll 4evermore« mit musikalischer Live-Performance von Tino Standhaft, Robert-Koch-Park Villa 1910, 30.6.2018, 19 Uhr

Das Buch: Mark Daniel: Rock’n’Roll 4evermore. Eulenspiegel Verlag, Berlin 2018, 192 Seiten, 14,99 Euro, E-Book 11,99 Euro


 

Die Rezensentin: Yvette Gieseke

 

 


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