Die zwei Autoren Michael Sontheimer und Peter Wensierski schrieben aus ihren eigenen Erfahrungen und fremden Zeitzeugenberichten das Buch »Berlin: Stadt der Revolte«.
Wer noch nicht ganz wach war, als Lesung und Gespräch von Michael Sontheimer und Peter Wensierski begannen, der wurde schnell wachgerüttelt. Ihr Buch »Berlin: Stadt der Revolte« ist mit Bildern und musikalischen Eindrücken versehen, weshalb der Vortrag mit einem Video eingeleitet wurde, das Ausschnitte und Bilder von Protesten in Ost- und Westberlin zeigt. Die schallende Musik, von unter anderem »Ton Steine Scherben«, stand ganz im Sinne der Geschichte, die die beiden Autoren erzählen wollten: »Macht kaputt, was euch kaputt macht«. Leider war die musikalische Untermalung wohl etwas zu gut gemeint, was dafür sorgte, dass wahrscheinlich die halbe Buchmesse etwas von der Veranstaltung mitbekam. Trotz blutender Ohren sensibilisierten die Lieder dafür, was das Buch zeigen will: Eine Geschichtsschreibung »von unten«, wie Sontheimer feststellte.

Ziel beider Autoren war es, die Schicksale von Leuten zusammenzutragen, die dabei waren, als Akteure wie beispielsweise Rudi Dutschke oder Benno Ohnesorg Teil der Geschichte wurden, die wohl jedem spätestens aus dem Geschichtsunterricht bekannt sein sollten. Die Studentenbewegungen der 1968er, Hausbesetzer und Punks, all das ist im Buch vertreten.
Im Sachbuch Forum waren alle Sitzplätze belegt und es herrschte ein reger Austausch von kommenden und gehenden Besuchern, die aufmerksam den Stimmen der Autoren lauschten. Überraschenderweise konnte man keinen Altersdurchschnitt festmachen, unter den Zuhörern waren Jugendlichen, Studenten und solche, die möglicherweise sogar selbst Teil der Revolten waren.
Das Thema ist so zwiegespalten, wie es Deutschland von 1949 bis 1990 war. Sontheimer merkte gleich zu Beginn an, dass es sich bei ihm und seinem Kollegen keinesfalls um »harmlose Autoren« handele, wie er sich dargestellt fühlte. Er stellte schnell richtig, dass er selbst Teil der Bewegungen gewesen war und das ein oder andere Haus besetzt gehalten hatte.
Vor allem Wensierskis Stimme drang durch Mark und Bein, was jedoch scheinbar funktionierte: Für seine Aussage »Das sind Dinge, die geschehen sind und weiter geschehen müssen« erntete er schallenden Applaus. Auf die Frage des Programmleiters Christof Blome, ob er die nächsten Revolten kommen sehe, stellte er klar, dass eine Revolte immer genau dann geschehe, wenn niemand mit ihr rechnet. Jedoch traue er den Jugendlichen von heute mehr zu, als Likes bei Facebook & Co. zu generieren, und klang beinahe freudig erregt bei der Vorstellung. Als Schlusswort entwarnte Sontheimer mit einem Augenzwinkern, dass sie heute nicht zum Revoltieren gekommen waren und den Zeitrahmen nicht sprengen wollten.
Das Buch ist für alle zu empfehlen, die die Beweggründe der Revolten während der deutsch-deutschen Grenze verstehen, oder sich an sie erinnern wollen. Doch es muss immer im Hinterkopf behalten werden, dass die Darstellungen stark subjektiv sind. Aber vielleicht ist gerade das der Grund, wieso man ihnen vor allen anderen Geschichtsbüchern glauben kann?
Beitragsbild: Peter Wensierski (links) und Michael Sontheimer (rechts) im Gespräch mit Programmleiter Christof Blome (mitte). © Lea-Tasmin Riedel
Die Veranstaltung: Michael Sontheimer und Peter Wensierski sprechen über Berlin: Stadt der Revolte, Moderation: Christof Blome, Forum Sachbuch, Leipziger Buchmesse 2018, 16.3.2018, 15.30 Uhr
Das Buch: Michael Sontheimer und Peter Wensierski: Berlin: Stadt der Revolte. Ch. Links Verlag, Berlin 2018, 448 Seiten, 25,00 Euro, E-Book 16,99 Euro
Die Rezensentin: Lea-Tasmin Riedel