»Die Bühne fehlt« und noch so einiges mehr

Francis Mohr liest in der Reihe »Leipziger Büchermenschen stellen sich vor« aus seinem Kurzgeschichtenband »Hotel A_toria«.

Die Lesebühnen hat die Pandemie besonders hart getroffen. Gerade für lokale und noch unbekannte Autor*innen boten diese immer eine Möglichkeit ihre Texte an die Menschen zu bringen, sich auszutauschen oder auch einfach nur gemeinsam Spaß an und mit Literatur zu haben. »Die Bühne fehlt«, sagt auch Francis Mohr, der, bis zu deren Auflösung Ende 2019, Mitglied der Dresdener Lesebühne »Phrase4« war. Immerhin bietet sich ihm nun eine digitale Bühne. Allerdings ist diese kein richtiger Ersatz.

Interaktion mit den Zuschauenden gibt es nämlich keine. Der Chat ist deaktiviert. Und auch das Szenenbild wirkt eher wie eine hastig improvisierte Leseecke bei einem mittelgroßen Buchmessestand. Das wirkt vielleicht auf einige nostalgisch, hat aber sonst leider keinerlei Flair. Zumindest Moderatorin Ine Dippmann schafft es dem Stream noch etwas professionelle Leichtigkeit einzuhauchen.

© Zwiebook

Mohr beginnt seine Lesung mit seiner Erzählung »Panini« und tut sich damit keinen wirklichen Gefallen. Die Geschichte über einen Familienvater, der sich im Sammeln von kleinen Fußballbildchen verliert und ohne es zu wollen über 100€ ausgibt, wirkt von ihrem Spannungsgehalt leider wie eine etwas zu lang geratene Gartenparty-Anekdote. Da hilft weder Mohrs charmanter sächsischer Einschlag noch seine routinierte Vortragsweise. Selbst der Mikrofonständer macht hier schlapp und muss immer wieder neu aufgerichtet werden. Dabei gibt es in »Hotel A_toria« einige echte Perlen. Etwa Geschichten wie »Messefieber«, in welchen Mohr mit viel Witz Einblicke in den Jugendalltag der Vorwendezeit gibt. Auch »Pistole im Nacken«, in welcher ein Taxifahrer von einer älteren Dame entführt wird, wäre wohl eine bessere Wahl gewesen.

Letztlich schafft es der Autor jedoch mit der Story »Plüschtiger« das Ruder zumindest noch etwas rum zu reißen. Auch wenn der einfühlsame Text über das undankbare Leben eines Polizisten in Dresden nur haarscharf am Kitsch vorbeischrammt. Wie auch in anderen Texten des Bandes zeigt sich hier, warum es auf der »Phrase4« Website über Mohr heißt: »Er ist konservativer, als ihm lieb ist«. Aber das ist etwas, was mit einem Bier in der Hand und vor einer richtigen Bühne diskutiert werden sollte. Hoffentlich bald.

Beitragsbild: Francis Mohr liest aus »Hotel A_toria« © Leipziger Büchermenschen stellen sich vor. Livestream-Screenshot: © Niklas von Mauschwitz


Die Veranstaltung: »Leipziger Büchermenschen stellen sich vor«, Francis Mohr und Ine Dippmann im Hugendubel Leipzig am 29.05.21 von 15:00 – 15:30. Live-Stream auf Youtube: (5:05:00–5:29:15).


Das Buch: Francis Mohr: Hotel A_toria – Shortstories. Dresden: Zwiebook 2018, 174 Seiten, 12,90 Euro.


Der Rezensent: Niklas von Mauschwitz