Knapp 12 Jahre nach dem Fall Nicolae Ceaușescus begibt sich David Wagner nach Rumänien, um 16 Jahre darauf in seinem Roman »Romania« die postkommunistische Ära Bukarests zu verarbeiten.

In der Glashalle des überfüllten Messegeländes tummeln sich die Besucherinnen und Besucher um das kleine Podium des MDR-Kultur-Pavillons. Gleich wird der Autor David Wagner mit dem Moderator Holger Heimann über den neusten Roman, »Romania«, des Buchmessepreisträgers von 2013 einen Plausch halten. Passend zum diesjährigen Schwerpunktland spielt dieser in Bukarest, wohin sich Wagner 2002 für ein zweimonatiges Stipendienprogramm samt Austauschdichterin begab.
Eigentlich wollte er dort einen Familienroman schreiben, stattdessen wurden es Tagebuchaufzeichnungen, die sein Interesse erst einige Jahre später wieder wecken sollten, erzählt er. Einen Roman schreiben wollen und doch nicht können, sei dabei titelgebend gewesen: »Romania« sei nicht nur die rumänische Bezeichnung des Landes, sondern auch ein Amalgam aus »Roman« und »Manie«. In einem zeitweiligen Abrutschen in Ressentiments meinen Autor und Moderator dieses Nichterfüllen eines Arbeitsauftrags als »orientalische Haltung« identifizieren zu können, die auf Wagner zurückgewirkt hätte. »Deutsch« wäre er in Bukarest angekommen, in »orientalischer Gelassenheit« hätte er seine Zeit dort verbracht, aber zugleich in recht »deutscher Manier« wiederum alles beflissentlich notiert.

Ein autobiographisches Werk stellt sein Tagebuchroman jedoch nicht dar, gibt Wagner auf Nachfrage von Heimann zu verstehen. Zwar gebe es in Begegnungen und Erlebnissen von Autor und Ich-Erzähler die ein oder anderen Parallelen, jedoch weiß David Wagner: »In dem Moment, wo man was aufschreibt, stimmt das schon gar nicht mehr so ganz.« Deshalb sollte dem Roman ursprünglich auch der Untertitel »Gefälschte Tagebücher« zugesetzt werden. Aber nicht nur die subjektive Motivation des Autors am Um-Schreiben der Realität spiele dabei eine Rolle, auch sei da noch ein Spezifikum so einer postkommunistischen Metropole wie Bukarest, die sich nämlich von Woche zu Woche ändere. Zugleich sei sie eine Stadt, in der »Vergangenheit auf Zukunft wartet.« Damit meint David Wagner das Stadtbild, welches nicht nur an den historischen Stadtkern Paris’ erinnert, sondern von neusachlicher, teils kubistischer Architektur der 1920er und 30er Jahre geprägt ist. Zum Ausführen dieses Gedankens kommen Moderator Heimann und der Autor leider nicht. Er bleibt wie eine Art Hinweis in der Luft hängen, deutet an, dass sich in Rumänien einmal ein Progress abzeichnete, der im Zuge des Zweiten Weltkrieges und der nachfolgenden Ära unter Nicolae Ceaușescu jedoch im Beton stecken blieb. Immerhin handelt es sich bei Rumänien um eine der ehemals brutalsten Ostblock-Diktaturen der Sowjetzeit. Und der Staatschef Ceaușescu spielt in »Romania« keine unwesentliche Rolle, taucht als Schattenfigur irgendwo zwischen martialischem Größenwahn und groteskem Untergang beständig auf, verortet ja nun den Tagebuchschreiber und seinen Aufenthalt auch historisch als einen nach dem Sozialismus, dessen Scheitern bis in die Gegenwart hineinwirkt. So hätte es dem Gespräch gut und dem Roman Recht getan, wäre weniger von einer orientalischen als von einer politischen Haltung die Rede gewesen.
Beitragsbild: Ausschnitt des Buchcovers © Verbrecher Verlag
Die Veranstaltung: Auf der Buchmesse im Pavillon des MDR Kultur steht David Wagner Rede und Antwort über seinen jüngsten Tagebuchroman »Romania«.
Das Buch: David Wagner: Romania. Verbrecher Verlag, Berlin 2018, 144 Seiten, 14 Euro
Die Rezensentin: Lilli Helmbold