Im Forum Fach- und Sachbuch erzählt und liest Christiane Wirtz aus ihrem Buch »Neben der Spur« und regt zum Überdenken der eigenen Vorurteile gegenüber Menschen, die unter Psychosen leiden, an.

Nach dem vorangegangenen Vortrag über Knochen und die Heilbarkeit von Osteoporose im Forum Fach- und Sachbuch finden sich Besucher der Messe schnell für die nächste Lesung ein. Das zuvor ältere Publikum weicht einer Zuhörerschaft, die von Schülern, die für ihre Exkursion Notizen machen, über interessierte junge Erwachsene bis zu Menschen mittleren Alters und Senioren reicht. Viele bleiben am Rand stehen, da die Sitzplätze begrenzt sind. Christiane Wirtz, die Autorin von »Neben der Spur. Wenn die Psychose die soziale Existenz vernichtet« nimmt vorne neben dem Moderator der Lesung, Andreas Behrenz, Platz. Obwohl sie groß auf dem Cover ihres Buches zu sehen ist, erkennt man sie nicht unbedingt auf Anhieb; heute wirkt sie weniger ernst und jugendlicher als auf dem Foto.
Die Lesung beginnt ohne weitere Erklärungen zu Buch oder Autorin – 30 Minuten sind schließlich nicht viel Zeit. Behrenz kommt sofort auf den Punkt und fragt nach einer kurzen Einführung: »Eine Psychose – wie muss man sich das eigentlich genau vorstellen?«

Sie habe in ihrem Leben bereits fünf Psychosen gehabt, erklärt Wirtz, und diese verliefen nicht gleich, manche ähnlich, aber Unterschiede in Form und sogar Dauer gab es durchaus. Im Buch werden Geschehnisse aus der letzten Psychose rekapituliert; sie besucht die Orte und Personen, die für sie zu der Zeit größere oder kleinere Rollen spielten, und zeigt in Interviews wie diese Psychose aus deren und ihrer eigenen Perspektive das Leben beeinflusste, und die soziale Existenz vernichtet hat, wie ja auch der Titel des Buches lautet.
Während sie diese Psychose durchlebte, nahm sie ihre Außenwelt sehr wohl wahr, kann sich an vieles genau erinnern, was sie oder andere sagten, wohin sie ging und was sie tat. Ihr Verstand wurde allerdings von den Hormonen, die wegen ihrer Krankheit von ihrem Körper nicht normal reguliert werden können, beeinflusst. Wodurch sie Geschehnisse völlig anders interpretierte als ein gesunder Mensch das getan hätte, erklärt Christiane Wirtz. So kam es, dass sie auf nie vereinbarte Treffen wartete oder Mick Jagger für ihren wahren Vater hielt.
Das Publikum hört gebannt zu. Diese Frau aus dem Buch, die dort buchstäblich verrückte Episoden aus ihrem Leben teilt und zeigt, wie schwer es ist, mit der Diagnose Schizophrenie immer auf den Füßen zu landen, wenn ihre Krankheit ihr die Kontrolle über die eigene Wahrnehmung entreißt, sitzt hier und erzählt, wie sich das anfühlt. Und man sieht es ihr dabei an: sie ist zwar krank, trotzdem aber einfach »normal«.
Beitragsbild: Christiane Wirtz (links) und Moderator Andreas Behrenz (rechts) © Anna Maria Jauch
Die Veranstaltung: Neben der Spur. Wenn die Psychose die soziale Existenz vernichtet. Eine Frau erzählt. Lesung und Gespräch: Christiane Wirtz, Moderation: Andreas Behrenz, Forum Sach- u. Fachbuch Messehalle 3, H300 15.3.2018, 15 Uhr
Das Buch: Christiane Wirtz: Neben der Spur. Wenn die Psychose die soziale Existenz vernichtet. Verlag J.H.W. Dietz Nachfolger. Bonn 2018, 200 Seiten, 22 Euro
Die Rezensentin: Anna Maria Jauch