Das Sägen an Podesten

Carolin Wiedemann im Gespräch über »Zart und frei. Vom Sturz des Patriarchats«

Die Journalistin und Soziologin Caroline Wiedemann stellt im Rahmen von Leipzig liest extra ihre Neuerscheinung vor. Für sie ist der Abend im WERK 2 von besonderer Bedeutung, denn sie darf seit der Veröffentlichung von »Zart und frei. Vom Sturz des Patriarchats« im Januar 2021 zum ersten Mal vor »echtem« Publikum daraus lesen. Begleitet wird sie dabei von der Moderatorin Constanze Stutz.

© Matthes & Seitz

Nach einer kurzen Einführung in den Abend, wird das Wort an die Autorin übergeben, die in einem roten Sessel sitzend Passagen aus der Einleitung ihres Buches liest und damit die Grundlage für ein intensives Gespräch über Kapitalismus, radikaler werdenden Antifeminismus und Co-Parenting schafft.

»Alle hätten besseren Sex, wenn das Patriarchat beendet wäre«, liest Wiedemann und schießt damit einen indirekten Appell voraus, der gegen Ende des Gesprächs noch einmal aufgegriffen werden soll. Sie nimmt sich in diesem Zusammenhang Zeit, den Begriff »Patriarchat« ausführlich zu definieren. Im heutigen, queer-feministischen Sinne meint er alle Menschen, die unter dem System leiden. Die Autorin spannt sogleich den Bogen zum Konflikt, der mit diesem Fortschritt einhergeht: Durch Stimmen wie Wiedemanns wird der Druck auf diejenigen größer, die von patriarchalen Strukturen profitieren. Das aktive Infragestellen des vermeintlich natürlich gegebenen binären Systems, sägt bildlich gesprochen an den Podesten dieser Menschen und stellt für sie eine Bedrohung dar.

Dies ist nur ein Beispiel für die unermüdliche Hingabe, mit der die Autorin solche Entwicklung für die Zuhörer*innen greifbar macht. Auf das Zitat vom Beginn bezogen, ermutigt sie immer wieder, die normierten gesellschaftlichen Konstrukte zu erkennen, zu hinterfragen und gar daraus auszubrechen. Gerade die pandemische Lage hat das Private der Gesellschaft sichtbarer gemacht, betonen beide Frauen. Die Lasten der Care-Arbeit, welche meist nur von der Frau getragen werden, wurden öffentlich diskutiert. Für ihr Buch interviewte Carolin Wiedemann verschiedene Menschen, die sich der Norm und den Lasten einer bürgerlichen Kleinfamilie entziehen, die Betreuung des Kindes gerecht aufteilen und damit gegen die in der Gesellschaft verankerte, patriarchale Unterdrückung kämpfen.

Ein so gehaltvolles Gespräch, das in die unterschiedlichsten Richtungen Perspektiven öffnet, lädt natürlich zum Austausch ein. Umso schwerer fällt es dem anwesenden Publikum hörbar, aufgrund der Pandemiebedingungen keine Fragen stellen zu dürfen. Hoffnung ausdrückend, bald wieder in den Austausch treten zu können, verabschieden sich Carolin Wiedemann und Constanze Stutz vom Publikum.

Beitragsbild © Dessany Celine Roe


Die Veranstaltung: Carolin Wiedemann stellt ihr Buch »Zart und frei. Vom Sturz des Patriarchats« vor, Moderation: Constanze Stutz, WERK 2 Leipzig und online (Youtube-Stream), 27.05.2021, 20 Uhr


Das Buch: Carolin Wiedemann: Zart und frei. Vom Sturz des Patriarchats. Berlin: Matthes & Seitz 2021. 218 S., 20 €, E-Book 15,99€


 

Die Rezensentin: Dessany Celine Roe