Silke Stamm liest aus ihrem Debüt »Besser wird es nicht«. Ein Werk bestehend aus 98 Einsatz-kompositionen.

Auf die Autorin warten, Menschen vorbeiziehen sehen, Blicke gen Bühne werfen, zwischen Ständen kleiner Verlage, Connewitzer Verlagsbuchhandlung oder Mandelbaumverlag, und Menschengewusel, dabei der Vorstellung eines gezeichneten Comics für Kinder unaufmerksam folgen, auf die Uhr blickend, um zu sehen, wann der nächste Programmpunkt ansteht; schließlich mit Applaus die erwartete Schriftstellerin zu begrüßen, während sie auf dem runden, durchsichtigen Plastikstuhl Platz nimmt, umrahmt von Schmetterlingsdekoration im Hintergrund der roten Bühne, rot wie die T-Shirts der MesseverkäuferInnen, die überall bereitstehen für potenziell Interessierte; eine zweite Frau tritt hinzu, um die Autorin vorzustellen, eine studierte Mathematiker- und Physikerin, und um darauf aufmerksam zu machen, dass dieses Buch bereits mit dem Hamburger Förderpreis für Literatur ausgezeichnet wurde, eine besondere Sprache verwendet, kurze Episoden des Lebens beschreibt, in nur einem Satz, immer aus der Perspektive einer jungen Frau, rundum ihre Erlebnisse, Erfahrungen und Gedanken, wobei vieles nur angedeutet bleibt, episodenhaft, wie Mosaike eines Menschenlebens; dann die ersten Auszüge vorgelesen zu hören, mit fester Stimme zwar, doch leicht verschränkten Beinen, aus Unsicherheit vermutlich, während die Episoden Gestalt annehmen und erzählen von langen Schifffahrten, Kindheitserfahrungen mit den Geschwistern, Beziehungen, Skatpartien oder der überraschenden und unverhofften, da verwechselten Botschaft eines Fremden am Fahrrad, und dann kurz vor Schluss der halbstündigen Lesung noch die Autorin ihre Lieblingsgeschichte vorlesen zu hören, über die Weisheit der Kinder: »Als kleines Mädchen, vielleicht mit fünf oder mit sieben, von der Zukünftigen des Onkels gebeten worden zu sein, bei deren Hochzeit Blumen zu streuen, sich jedoch geweigert zu haben, aber du wärst bestimmt ein süßes Blumenmädchen, von ihr umschmeichelt worden zu sein, und du bekommst dann auch ein ganz besonderes Kleid, weiß, mit Rüschen, fast so wie meines; von der Mutter erklärt bekommen zu haben, es ist nicht schwer, du musst gar nicht viel machen, nur die Blumen aus deinem Körbchen streuen, und du darfst ganz vorne laufen, aber bei der Weigerung geblieben zu sein, auch noch nach Wochen; bei der Trauung dann zugeschaut zu haben, wie zwei andere, größere Mädchen den Mittelgang zwischen den dunklen Kirchenbänken entlang in Richtung Ausgang gingen, von denen die eine, wie die Tante später bedauernd sagte, schon ganz schön weit entwickelt war, wie sie rosa und rote Blüten streuten, auf die die Brautleute dann traten, bevor sie draußen durch ein Spalier von Kameraden des Onkels schritten, die Uniformen und Degen trugen, diese weit in den Himmel reckten, über dem Brautpaar kreuzten und dabei etwas riefen, während jemand Reis warf, die Mädchen weiter ihre Blüten streuten und die eigene Mutter da draußen in der Sonne ins Geläut der Glocken flüsterte, das hättest jetzt auch du sein können, wäre das nicht schön gewesen?; sich ein paar Wochen später von der frisch angeheirateten Tante beim Zeigen ihrer Hochzeitsbilder noch ein paar stichelnde Bemerkungen angehört zu haben, aber nicht reagiert und nach wie vor auch nichts bereut zu haben, und sich heute manchmal um diese Gewissheit von damals zu beneiden.«

Beitragsbild: Silke Stamm liest aus »Besser wird es nicht« © Nicola Seele
Die Veranstaltung: Silke Stamm liest aus »Besser wird es nicht«, Moderation: Patricia Paweletz, Messegelände, Leseinsel Junger Verlage, 17.3.2018, 16 Uhr
Das Buch: Silke Stamm: Besser wird es nicht. Punktum, Hamburg 2017, 150 Seiten, 20 Euro
Die Rezensentin: Nicola Seele