Danke, lieber Wintereinbruch, du hast mich vor Schlimmerem bewahrt!

»Bibi und Tina«-Star Lisa-Marie Koroll wollte während der Buchmesse in der Stadtbibliothek aus ihrem Lifestyle-Ratgeber »Lass Konfetti für dich regnen« lesen. Vielleicht besser, dass die Veranstaltung ausgefallen ist. Ein Kommentar.

Horden pubertierender Mädchen drängen sich vor den Toren der Stadtbibliothek. Tina ist da, oh mein Gott! Vorher noch schnell ein Selfie, bevor es in den zweiten Oberlichtsaal geht, in dem es hier gleich Konfetti regnen soll. So oder so ähnlich habe ich mir die Veranstaltung zumindest vorgestellt und mir vorab meine Vorurteile aufgebaut. Nicht ganz ohne Grund, denn Lisa-Marie Korolls Buch hatte mich nach einigen verzweifelten Lachern schließlich ungläubig und sogar besorgt zurückgelassen. Aber irgendwo bestand da doch ein gewisser Reiz, in einer finsteren Ecke meines Hirns, in welcher die primitive Lust am Gaffertum schlummert. Ich wollte sehen, wie man aus diesem Buch eine Lesung stricken will, wollte mich schlicht mal wieder richtig über etwas aufregen! Die Worte für meinen Verriss hatte ich im Kopf schon halb zurechtgelegt. Fast hätte ich auch noch einen Tortenwurf in Erwägung gezogen, aber klebrig-süß kommen Buch und Autorin ohnehin schon daher.

Am Samstagnachmittag komme ich an der Bibliothek an und direkt teilt mir die Mitarbeiterin am Eingang mit: Die Lesung fällt aus, Koroll steckt wegen des herrschenden Schneechaos in Berlin fest. »Glück gehabt!«, sage ich, und die Dame am Einlass stimmt mir zu: »Ich darf das natürlich nicht so laut sagen, aber wir haben uns hier wegen diesem Buch alle an den Kopf gefasst.« Ich nicke, Kopfschmerzen kann man von Korolls quietschig-buntem Erguss tatsächlich bekommen. Irgendwie erleichtert verlasse ich das Gebäude. Nun, zwei Wochen nach der Buchmesse, möchte ich das Debut der Autorin aber auch nicht weiter unkommentiert lassen, zu sehr schwebt die geplatzte Veranstaltung noch in meinem Kopf herum … und schließlich habe ich das Machwerk in Vorbereitung auf die Lesung auch in Gänze lesen müssen, was mich sehr aufgewühlt hat.

In meinen Augen kommt es zu pseudofeministisch, zu kalenderblattphilosophisch daher. »Lass Konfetti für dich regnen« ist eine Ansammlung kurzer Texte über Selbstliebe oder innere Ruhe, totaaal witziger Challenges, ausfüllbarer Listen und toller Rezepte von Einhorn-Pancakes bis hin zu Liebeskummer-Cookies. Ob es nun die Anleitung für das perfekte Selfie oder der (schein-)kritische Blick auf den Weg hin zum Influencer ist, dieses Buch versammelt alles, was für jeden außerhalb der Zielgruppen-Generation nur schwer verständlich wirkt. Nicht etwa, weil Selfies verwerflich oder Einfluss auf andere per se schlecht sein müssen, sondern weil vieles bei Lisa-Marie Koroll entweder nur halb- oder gar vollkommen unreflektiert bleibt. Man erkennt beim Lesen definitiv die Sicht einer 20-jährigen Schauspielerin, welche als deutsches Fernsehsternchen aufge- und der Lebensrealität eines Großteils der Menschheit dabei gewissermaßen entwachsen ist. Das macht ihren Input ähnlich potenziell gefährlich wie auch den vieler Youtuber. Wenn Koroll dazu aufruft, einen coolen „Girls-Club“ zu gründen und darunter ein Foto der Autorin gedruckt ist, auf welchem sie ein Shirt mit dem Aufdruck »Feminist« trägt, dann drehen sich vermutlich alle im Laufe der Jahrhunderte verschiedenen Kämpferinnen und Kämpfer für Frauenrechte simultan im Grabe herum. Koroll gibt ihren Leserinnen den Tipp: »Nur weil du eine Feministin bist, bist du immer noch eine Frau« – na, danke dafür! Wenn sie ehrenamtliche Arbeit empfiehlt, dann, weil sie sich »gut im Lebenslauf« macht. Sie präsentiert unter der Überschrift »Mach dich stark!« eine vollkommen aus ihrem kulturellen und spirituellen Kontext gerissene Yoga-Übung. Sie möchte ihre Leserinnen – erstaunlicherweise – dazu anregen, ihre Kindheitserinnerungen Revue passieren zu lassen, wo diese doch bei der Zielgruppe noch sehr unmittelbar zurückliegen dürften oder sogar gerade noch gesammelt werden. Die Betonung liegt hier im Übrigen auf LeserINNEN, da Koroll ausschließlich die junge Frauenwelt anspricht und damit ganz unbeschwert an der fortlaufenden Definierung zweiseitiger Geschlechtsidentitäten teilnimmt. Diese Aufzählung könnte ich lange so fortführen. Gebunden und publiziert ist dieses stereotyp-mädchenhaft entworfene Sammelsurium von Lebensweisheiten eines gerade-so-nicht-mehr-Teenagers zwar, aber der Verlag Eden Books hat sich dabei nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Letztendlich hat bei Lass Konfetti für dich regnen nämlich nur in begrenztem Maße die Autorin selbst versagt, sondern eher das Lektorat. Korolls Nichterscheinen an diesem Wochenende ist gleichermaßen ein unerwünschtes Ergebnis der widrigen Witterung, wie auch ein unverhoffter inhaltlicher Selbstschutz der jungen Autorin und Influencerin. Ein Schutz, welchen ihr Eden Books angesichts schneller Profite nicht gegeben hat. Ein Schutz, welcher kaum einem Influencer im Social-Media-Kommerz zuteilwird. Ein Schutz, welcher der sprichwörtlichen »Jugend von heute« leider abhandengekommen ist.

Beitragsbild: Im Business-Einteiler tritt sie gegen die Sorgen und Ängste heranwachsender Mädchen an: Lisa-Marie Koroll. © Maximilian Enderling


Das Buch: Lisa-Maria Koroll: Lass Konfetti für dich regnen! Sei glücklich, nicht perfekt. Eden Books, Berlin 2017, 176 Seiten, 14,95 Euro


 

Der Kolumnist: Maximilian Enderling