Batman bei den Buddenbrooks

Eine Woge aus Schwarz, Lack und Brokat überflutet erneut die Stadt. Anlässlich des Wave-Gotik-Treffens 2018 liest Christian von Aster im Blauen Salon.

Der Autor und selbsternannter literarischer Hedonist Christian von Aster. © störbild

Der erste Satz, den man Christian von Aster ins Mikrofon sagen hört, ist »UPS sind Vollhonks«, gefolgt von einer höchst raffiniert formulierten Begründung, weshalb sich jener besonders gut für den Soundcheck eigne. Irgendetwas bezüglich wichtiger Vokale und Umlaute. Bereits während des vorangegangenen Interviews faszinierte mich die erfrischende Kombination aus gewähltem Ausdruck und sarkastischem Witz. Anlässlich des Wave-Gotik-Treffens, in dessen Rahmen der Autor bereits seit vielen Jahren regelmäßig liest, fragte ich ihn, ob seine Arbeit eher zufällig besonders bei den »Gruftis« Anklang fand oder ob die Szene seinen Schreibstil prägte. Von Aster erzählt von seiner Faszination für schwarze Romantik und finsteren Humor, welche er bereits während seines Literaturstudiums verspürt habe. Aufgrund jener »gemeinsamen Interessen« habe ihn die Szene wohl »adoptiert«. Ein beträchtlicher Teil jener Subkultur, die meines Erachtens einen ganz besonderen Zauber birgt, findet sich im Blauen Salon am Marktplatz der Leipziger Innenstadt ein. Ich selbst durfte der eindrucksvollen Lesestimme von Asters erstmals vor beinahe fünf Jahren anlässlich seiner alljährlichen Weihnachtslesung lauschen. Seitdem hat sie mich zu jedem WGT erneut eingefangen, erheitert und vom ersten bis zum letzten Wort bestens unterhalten. Ich freue mich auf das, was kommt.

© Klett-Cotta

Nach charmanter Begrüßung des Publikums und dem Austausch fröhlich-verwegener Albernheiten mit selbigem beginnt von Aster den offiziellen Teil der Lesung mit der Vorstellung seines neuen Buches »Der Orkfresser«. Favorisiert habe er den Titel »Batman bei den Buddenbrooks«, welcher jedoch gleich zweifachen Rechtsstreit ausgelöst hätte. Bereits ein kurzes Exzerpt aus dem ersten Kapitel spinnt eine herrlich skurrile Geschichte, die lachend mit dem Finger auf die Grenzen zwischen Realität und Fantastischem, ernstzunehmender Literatur und schierer Polemik zeigt. Die Opfer stammen sowohl hier als auch in den folgenden Texten aus den eigenen Reihen. Liebevoll verhöhnt von Aster neben den »Gruftis« gern auch sich selbst. So verwundert es nicht, dass »Der Orkfresser« von einem Autor handelt, welcher seine Kreativität allerdings einer ebenso erfolgreichen wie hoffnungslos platten Fantasy-Saga opfert; ein Schicksal, dessen Vermeidung sich von Aster zur Lebensaufgabe gemacht hat. Weiterhin gibt er zwei in die Haupthandlung eingestreute Erzählungen zum Besten, die an jene gänzlich fantastischen Kurzgeschichten erinnern, von denen der Autor bereits unzählige veröffentlicht hat. Hierbei weiß von Aster geschickt ganze Kunstwerke mit Worten zu malen, indem er die Schilderung der fiktiven Situation mit Eindrücken aller fünf Sinne ausschmückt. Der rege Gebrauch des Konjunktiv schafft eine mysteriöse Distanz zum Zuhörer und auch die Lesestimme des Autors schaukelt sich zu der eines markerschütternden Epos hoch. Im Kontrast dazu folgen einige urkomische Anekdoten, in denen von Aster erneut zumeist das verspottet, was er liebt.

Dann ändert der Autor seinen Tonfall plötzlich, wird ungewohnt verhalten und schwermütig. Der eindrucksvolle Text »Mehr Traurigkeit als Platz dafür« handelt von »eine(r) kleine(n) Depression« und wie von Aster sich ihrer annahm. Mutig lässt er das Publikum tief in seine Seele blicken, zeigt sich verletzlich und doch standhaft. In einem kraftvollen sprachlichen Bild macht er die Depression zu seiner Begleiterin und schildert ihren gemeinsamen Weg. Trotz der schwer verdaulichen Thematik endet die Lesung in einer letzten sarkastischen Durchtriebenheit und ungehaltenes Gelächter geht in donnernden Applaus über.

Beitragsbild: Christian von Aster in schummerigem Bühnenlicht. © Helena Neumann


Die Veranstaltung: Christian von Aster liest anlässlich des Wave-Gotik-Treffens, Blauer Salon, 18.5.2018, 18.45 Uhr

Das Buch: Christian von Aster: Der Orkfresser. Klett-Cotta, Stuttgart 2018, 352 Seiten, 14,95 Euro, E-Book 11,99 Euro


 

 

Die Rezensentin: Helena Neumann