»Also ich fand’s lustig«

Sebastian Lehmann liest im Kupfersaal eigene Texte und mit Google übersetzte Popsongs. Im Mittelpunkt steht sein Buch über Jugendkulturen.

Er hätte sich kaum einen ungewöhnlicheren Abend für seinen Besuch in Leipzig aussuchen können. In der Kupfergasse stehen kurz vor Beginn von Sebastian Lehmanns Lesung etliche Einsatzwagen der Polizei. Jeder, der zum Kupfersaal möchte, wird wegen einer Demo vorab kontrolliert. Das kommentiert Lehmann auch gleich, nachdem er die Bühne betreten hat: »Ich bin mit einer Bücherkiste in den Armen an 500 Polizisten vorbei. Die haben mich gefragt, was in der Kiste drin ist … ›Ah ja, nur Bücher. Ja, ist okay. Sie können durch.‹ Geistige Brandstifter sind also okay!«

© Goldmann Verlag

Dieser situative Humor zieht sich durch den ganzen Abend. Immer selbstironisch liest und kommentiert sich Lehmann in die Herzen seiner Zuschauer und -hörer, unter anderem mit Gags wie: »Mama, es kommen immer hunderte Leute zu …«, daraufhin ein Blick ins Publikum, »… na ja, dutzende Leute zu meinen Lesungen.« Er trägt im Laufe der Lesung das eigene, eher bescheidene Selbstbewusstsein nicht auf eine unangenehme, sondern auf eine charmante Art nach außen.

Beim sechsten Kapitel seines Buches »Ich war jung und hatte das Geld« geht es um satanistische Dark-Metaller. Er hält die Seite hoch und erklärt: »Also das ist die sechste Jugendkultur und da steht jetzt 666!« Niemand lacht. Lehmann nimmt es mit der gewohnten Nonchalance: »Also ich fand’s lustig«, und wieder kann keiner der Anwesenden an sich halten. Das Potpourri an mitgebrachten Texten ist ebenso unterhaltsam und dabei angenehm abwechslungsreich. Mal drei Jugendkulturen aus seiner zugehörigen radioeins-Kolumne, dann drei Elterntelefonate aus seiner Kolumne für SWR3, zwischendurch mit Google übersetzte und absurd-komisch vorgetragene Texte englischsprachiger Popsongs – Lehmann lebt die Lesebühnenkultur und den Poetry Slam, entsprechend kurzweilig fallen die einzelnen Elemente seiner Lesung aus.

Als er zwischendurch einen düsteren Ausschnitt aus seinem kürzlich erschienenen ersten Roman »Parallel leben« präsentiert, wirkt das vergleichsweise wie ein Fremdkörper im sonstigen Schaffen des Autors. Die vorgelesene Passage senkt die Stimmung im Raum merklich. Lehmanns anschließender Kommentar dazu bringt sie aber rasch wieder nach oben: »Der Roman ist nicht so lustig, aber hat einen Leineneinband. Also wenn man den Inhalt nicht mag, kann man immer noch das Cover streicheln!«

Es gibt neben der Einbringung seines Romans ein weiteres kleines Manko der Lesung: Lehmanns Stimme wandert bei Dialogen seiner Figuren standardmäßig eine Oktave nach oben, beim Übergang zur Erzählerstimme aber nicht immer gleich zurück in die mittlere Stimmlage. Auf Dauer würde diese sprecherische Feinheit das Zuhören sehr anstrengend machen, so weit kommt es im Kupfersaal aber zum Glück nicht. Als Lehmann gegen zehn Uhr noch ankündigt: »Besser ihr klatscht, sonst ist es für uns alle peinlich – ich komme nämlich definitiv noch mal raus«, da gibt es natürlich mehr als nur Anstandsapplaus. Das Publikum johlt, Lehmann gibt eine kleine Zugabe und die Lesung endet zum bestmöglichen Zeitpunkt des Abends.

Beitragsbild: Mit Laptop, ausgedruckten Songtexten und eigenen Büchern bewaffnet: Sebastian Lehmann. © Maximilian Enderling


Die Veranstaltung: Livelyrix präsentiert: Sebastian Lehmann: Ich war jung und hatte das Geld, Kupfersaal, 7.12.2017, 20 Uhr

Das Buch: Sebastian Lehmann: Ich war jung und hatte das Geld – Meine liebsten Jugendkulturen aus den wilden Neunzigern. Goldmann, München 2017, 192 Seiten, 10 Euro, E-Book 8,99 Euro


 

 

Der Rezensent: Maximilian Enderling